Die Angst des wei�en Mannes
Pahlevi-Dynastie besonders gefördert, aber auch von der Khomeini-Revolution in die Kategorie der »Familie des Buches« aufgenommen. Sie ist in der Majlis – dem Parlament – von Teheran durch einen Abgeordneten vertreten. Der zoroastrische »Magi«, der sich seinerzeit ohne Scheu vor unserer Kamera äußerte, war ein glühender Prediger der Reinheit der arischen Rasse, die zu bewahren sein höchstes Anliegen war. »Wenn eine unserer Frauen einen Mann heiratet, der an unserem Feuerkult nicht teilnimmt, dann verdient sie den Tod.« Man dürfe doch nicht edle, in heller Pracht blühende Pflanzen mit dem Wüstengestrüpp des Urwaldes vermischen. Die Darstellung Zarathustras in den Tempeln dieser einst allmächtigen Religion der altpersischen Reiche der Achämeniden bis zu den Sassaniden war stets identisch. Der Prophet, der Friedrich Nietzsche zur Ankündigung des »Übermenschen« anregen sollte, erschien unter den Zügen eines blon den,blauäugigen Helden. In der schnöden Wirklichkeit der Gegenwart präsentierte sich der hohe Offiziant, dem ich in Teheran gegenübersaß, allerdings als schmächtige, dunkelhaarige Erscheinung. Seine Gesichtszüge hätten sich sogar für jene abscheulichen Karikaturen geeignet, mit denen im Dritten Reich das antisemitische Hetzblatt Der Stürmer seine widerliche Kampagne gegen die Juden anheizte.
Es konnte nicht ausbleiben, daß die rassische Mythologie, der die Nationalsozialisten huldigten, ihre Aufmerksamkeit auf den indi schen Subkontinent richtete, wo seit Urzeiten das Hakenkreuz als Symbol des Glücks und der Kraft verehrt wurde und die hindui stische Kastengesellschaft in mancher Hinsicht den krausen Vor stellungen des Reichsführers SS entsprach. Im Zuge der arischen Völkerwanderungen, die vor viertausend Jahren aus den Steppen Zentralasiens über den Subkontinent hereinbrachen, hatte der Kontakt mit einer ungewohnten, tropisch wuchernden Kultur, mit exotischen, dunkelhäutigen Urbevölkerungen eine einmalige ras sisch-religiöse Überlagerung bewirkt, aus der am Ende – auf die Epen des Maha baratha und des Ramayana gestützt – die noch heute gültige Sozialordnung des Hinduismus hervorgegangen ist. Alles Leugnen gewisser Schöngeister oder schwärmerischer Indien-Fans, alle Verweise auf erstaunliche Modernisierungserfolge und ober flächliche Anpassungsreflexe der Gegenwart ändern nichts an der Tatsache, daß das Kastensystem – der übernatürlichen Ordnung des Dharma entsprechend – die religiöse und soziologische Basisstruk tur Indiens geblieben ist, aus der sich kein Hindu lösen kann. Eine raffinierte, unerbittliche Herrschaftspyramide war hier entstanden, die sich in letzter Analyse auf rassische Zugehörigkeit zurückführen ließe.
Ich will hier nicht die diversen Schichten – Brahmanen oder Priester, Kshatriya oder Krieger, Vaishya oder Händler als kollektive Oberschicht, dann die verachtete, niedere Dienstleistungsgruppe der Shudra, etwa fünfzig Prozent aller Hindus, oder die »Unberührbaren«, die unglücklichen Paria oder Dalits – in ihren Attributen beschreiben, zumal mindestens dreitausend Unter kastendieses verwirrende Mosaik vervollständigen. Bezeichnend ist immerhin, daß der Begriff »Kaste«, eine portugiesische Vokabel, die bei uns gebräuchlich ist, auf Hindi mit dem Wort »Varna«, das heißt Farbe, bezeichnet wird. Selbst innerhalb der genormten Gemeinschaften spielt die Hautfarbe weiterhin eine wichtige Rolle. Bei den Brahmanen zumindest ist es üblich, nach der Geburt eines Kindes die bange Frage zu stellen: »Is he fair – Ist er hellhäutig?«
Heinrich Himmler ist in seiner völkischen Besessenheit vor kei ner Lächerlichkeit zurückgeschreckt. So wurde im Jahr 1938 eine geheime NS-Expedition nach Tibet geschickt, um bei den dortigen Bergnomaden nach dem »Ur-Arier« zu suchen. Der Leiter dieser bizarren Mission, der bewährte Parteigenosse Ernst Schäfer, pro duzierte einen Dokumentarfilm »Geheimes Tibet«, der die fried liche Natur des Lamaismus ignorierte, um die Aufmerksamkeit auf ein tänzerisches Ritual zu richten, das einem »Kriegsgott mit höchster Kraft, Härte und Zucht« huldigte. Nach seiner Rückkehr wurde Schäfer mit dem Totenkopfring der SS und dem Ehren degen des »Schwarzen Ordens« ausgezeichnet.
Es muß ein seltsamer Anblick gewesen sein, als die Beauftragten der Ahnenforschung – den Oberkörper gebeugt, den buddhisti schen Gebetsschal in Händen, einen Tropenhelm mit SS-Runen auf dem Kopf – sich in
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