Die Angstmacher
Talfahrt. Der Chef der Mannheimer Lebensversicherung, der passionierte Jäger Hans Schreiber, glaubte aber an eine rasche Erholung der Börsen. Das Unternehmen investierte bei fallenden Kursen noch mehr Geld in Aktien, als es ohnehin schon dort liegen hatte. Zu viel. Für die Branche und die Politik kam der Crash zur Unzeit. Gerade hatte die Bundesregierung die Teilprivatisierung der Altersvorsorge eingeleitet. Die Pleite eines Lebensversicherers hätte das Vertrauen der Bürger in die Privatrente extrem erschüttert, die Rentenreform wäre gescheitert.
Die Branche regelte die Sache selbst. Sie schuf eine eigene Auffanggesellschaft für gestrauchelte Versicherer mit dem bezeichnenden Namen Protektor. Die »Protektor AG Lebensversicherung« übernahm am 1. Oktober 2003 den Bestand der Mannheimer Lebensversicherung. Im Jahr 2004 hat die Bundesregierung die Einrichtung eines Sicherungsfonds gesetzlich vorgeschrieben. Mitglied sind hier alle Lebensversicherer, die in Deutschland ihr Geschäft betreiben: »Ausnahmen hiervon bestehen nur für Niederlassungen von Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Land der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) haben.« Auch Pensionskassen können Mitglied werden. Ob ein Versicherungsunternehmen zum Fall für Protektor wird, entscheidet die BaFin.
»Sicherungsfonds« und »Auffanggesellschaft« klingen gut, so als könne den Kunden nichts geschehen. Aber wenn es hart auf hart kommt, muss der Verbraucher für das Versagen der Kapitalanleger büßen. Finanziert wird Protektor zwar über Mitgliedsbeiträge der Unternehmen, mit denen ein Vermögen in hoher dreistelliger Millionenhöhe aufgebaut wurde. Reicht das nicht, kann Protektor weitere Beiträge von den Mitgliedern fordern, falls ein Versicherer seine Probleme nicht mehr aus eigener Kraft in den Griff bekommt. Doch wenn auch das nicht reicht, kann die BaFin die garantierten Ansprüche der Kunden, derenVerträge Protektor übernimmt, um bis zu 5 Prozent herabsetzen. Die Behörde kann die Hand auch auf bereits gutgeschriebenes Vermögen legen, sodass dem Kunden Geld abgezogen wird, wenn das für die Rettung des Bestands erforderlich ist. Außerdem kann die Aufsicht verfügen, dass Kunden ihre Verträge nicht kündigen können, damit kein Kapital abgezogen wird. Reicht das alles immer noch nicht, werden die Versicherer nochmals zur Kasse gebeten.
Im Fall der Mannheimer hat die Sache funktioniert. Den Kunden wurde von bereits gutgeschriebenen Guthaben nichts abgezogen. Aber: Sie bekamen eine marktunterdurchschnittliche Verzinsung. Hätten sie ihre Verträge bei einer anderen Gesellschaft abgeschlossen, hätten sie am Ende wohl mehr herausbekommen. So schlimm wie die Mannheimer hat es bislang noch keinen anderen Lebensversicherer getroffen. Einen Fall wie die Mannheimer kann die Auffanggesellschaft Protektor verkraften. Die Schieflage einer kleineren Gesellschaft sicher auch. Geriete aber die gigantische Allianz Leben ins Schleudern, sähe die Lage dramatisch aus, und es ist kaum vorstellbar, dass nicht die gesamte Branche in erhebliche Schwierigkeiten geraten würde.
Die BaFin beaufsichtigt rund 600 Versicherungsunternehmen, fast die Hälfte ist auf dem Gebiet der Altersvorsorge tätig. Sie kümmert sich um Details, wie der Geschäftsbericht der BaFin unter Punkt 1.2 Anlagenverordnung zeigt: »Rohstoffinvestments sind nun innerhalb einer eigenen Mischungsquote von 5 % nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AnlV unter Einbeziehung in die Quote für Risikokapitalanlagen von 35 % möglich. Dadurch werden die Anlagemöglichkeiten für Versicherer erweitert.« Um das Eigentliche kümmern sich die Aufseher aber nicht: ob die Verträge für die Verbraucher in Ordnung sind, die die Branche verkauft. »Die BaFin prüft nur die Finanzstabilität der Versicherer«, kritisiert der Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein. Ob die angebotenen Verträge den Kunden möglicherweise übervorteilen, untersucht die Behörde nicht – und auch keine andere Instanz in der Bundesrepublik. Heute stehen Verbraucher vor einem Dschungel nicht durchschaubarer Angebote, mit denen sie ihre Altersvorsorge sichern sollen. Genauso undurchsichtig wie die Angebote sind die unzähligen Siegel, Gütezeichen und Rating-Ergebnisse, mit denen die Versicherer werben. Die Anbieter haben viele Möglichkeiten, überteuerte Verträge an den Mann und an die Frau zu bringen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Krankenversicherer neue Tarife der BaFin
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