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Die Angune (German Edition)

Die Angune (German Edition)

Titel: Die Angune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Staedtgen
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die ersten Äste seitlich aus dem Stamm heraus, wobei Cornelia die Länge der untertesten Äste auf 30 bis 35 Meter bemaß. Mehrmals lehnte sie sich an verschiedene Baumstämme und schielte an ihnen empor, aber ihr Blick reichte nie bis zur Krone. Es war unmöglich die Höhe der Bäume zu beurteilen. Sie reichten sicher über die 100 Meter Marke hinaus.
    Die kleine Ligeria machte sich über solche Fragen keine Gedanken, aber sie bestätigte Cornelia, dass sie gehört hatte, dass die Erwachsenen das Alter der Baumriesen in diesem Tal auf 4.000 Sonnenumläufe schätzten.
    Trotz der unglaublichen Größe der Bäume war es weder dunkel noch düster in diesem Wald. Wohl erhielt die Vegetation am Boden nicht viel Licht, und trotzdem war das Tal von einem braunen Grasteppich bedeckt. Es war saftiges Gras und kein verdorrtes, und das fand Cornelia erstaunlich. Sie war offensichtlich in einem Tal gelandet, das noch ein von der Wissenschaft unentdecktes Ökosystem enthielt.
    Nach einer halben Stunde erblickte Cornelia ein Seitental, dessen Eingang sich hinter einer kleinen Anhöhe versteckte.
    »Dorthin?«, fragte sie, und das Kind nickte stumm mit dem Kopf.
    Als die beiden ein paar Minuten später die Anhöhe erreic hten, drang ein langgezogener Ton an Cornelias Ohr. Ein dröhnender, dunkler Ton, als würde jemand in ein Horn blasen.
    Cornelia blieb stehen, das Kind aber zeigte mit seinem Fi nger unbeirrt auf das kleine Tal.
    »Was war das?«, fragte Cornelia und versuchte im Tal etwas zu erkennen.
    »Das ist Onkel Sindal! Er warnt mit seinem Widderhorn vor fremden Besuchern.«
    Cornelia schaute das Kind an: »Ein Widderhorn!?«
    Das Kind nickte bestätigend mit dem Kopf, und Cornelia nickte anerkennend mit dem Kopf.
    »Na gut! Dann gehen wir mal zu Onkel Sindal und seinem Widderhorn. Hoffentlich hat der auch kein Geld von den schwarzen Männern genommen.«
    »Nö!«, kam wie selbstverständlich die Antwort.
    Erstaunt schaute Cornelia das kleine Mädchen an. Das Kind machte nicht den Eindruck, als wäre sie geistig zurüc kgeblieben.
    »Da ist meine Mami!«, rief es.
    Erst beim zweiten Hinschauen bemerkte Cornelia die kleine Hütte, die sich an den Fuß eines riesigen Felsens schmiegte, und eine Frau die ihnen entgegen kam.
    Eine kleinwüchsige Frau!
    Vor einiger Zeit hatte sie wahrscheinlich versucht, ihr struppiges Haar mittig zu scheiteln. Der größte Teil des Haupthaars lief noch immer an den beiden Wangen entlang zum Genick, wo es zusammengebunden worden war. Doch viele widerspenstige Borsten hatten sich in der Zwischenzeit von dem Zwang befreit und kräuselten nach allen Seiten hin, während eine Handvoll dickerer Strähnen lose ins Gesicht herabfiel.
    Sie trug einen bodenlangen Rock aus grobem Leinen und hatte eine Baumwollschürze um die Taille gebunden. Dem tiefen Ausschnitt der Miederbluse war die Schnürung abha nden gekommen, und so konnten sich die mächtigen Brüste der kleinen Frau den nötigen Freiraum besorgen und drängten unverhohlen an die frische Luft.
    »Ligeria Eisennagel! Vom Clan der Steinbrecher! Wo warst du?«, dröhnte die Stimme der kleinen, untersetzten Frau zu ihnen herauf.
    Cornelia spürte wie das Kind auf ihrem Arm ängstlich zusammensackte und zu Boden starrte.
    »Antworte mir!«
    Den Befehl quittierte das Kind mit einem kurzen Fingerzeig in die Richtung aus der sie kamen.
    »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du nicht weglaufen darfst!«
    Cornelia hatte das Mädchen zu Boden gelassen, das jetzt vor ihr stand und ganz bedröpelt zu Boden blickte. Und dann schaute es plötzlich hoch und zeigte auf Cornelia.
    »Sie hat Papi getötet!«
    Erstaunt sah Cornelia auf das Kind, dann auf die Mutter, und wieder zurück zum Kind. Aber das flüchtete schon vor dem drohenden Unheil und rannte weg.
    »Ich, eh ... !«, stammelte Cornelia, die von einem Kind, das sie als geistig zurückgeblieben eingeschätzt hatte, eben übe rrumpelt worden war.
    Und die Mutter des Kindes stand - eine Erklärung verlangend - vor ihr und stemmte die kräftigen, mit Schwielen besetzten Hände auf die breiten Hüften.
    »Es wurde niemand getötet!«, beteuerte Cornelia.
    Die kleine, dicke Frau hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und fixierte Cornelia mit drohendem Blick. Dunkle Zornesfalten legten sich auf ihre Stirn.
    »Ihr Vater ..., Euer Mann ..., also, er hat mich mit einem riesigen Hammer angegriffen. Ich habe mich mit einem Stein zur Wehr gesetzt ...«
    Cornelia imitierte den Kampf mit dem Schlag einer Faust auf

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