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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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noch, wie fassungslos ich vor dem Fernseher saß, als eine Sondermeldung nach der anderen über den Flatscreen flimmerte. 9/11 war Kinderkram dagegen.
Aber die Panik aus den großen Städten schwappte glücklicherweise nicht nach Mullendorf über. Hierher verirrte sich mit Sicherheit keiner der Blutsauger. Wir hatten nur Mücken.
    »Ich glaube, mein Chef ist einfach nur sauer auf mich. Das hat nichts mit Ihnen zu tun«, sagte ich zu dem Fremden. »Warten Sie einen Moment.«
Ich ging noch zehn Schritte, bis ich zwei Füße entdeckte, die unter einen neuen BMW hervorragten. Das Auto gehörte zu Oslowskis, die Füße zu Kurt.
»Kurt, kannst du dir mal bitte schnell den Wagen eines Mannes auf der Durchreise ansehen? Er kommt sonst nicht weg von hier.«
»Wer will denn von hier wegfahren!«, kam die helle Stimme von Karl unter dem Auto hervor. »Der kann doch nicht ganz bei Trost sein.«
Kurt zwinkerte und lächelte nicht. Er meinte, was er sagte. Ich glaube, Kurt war jemand, der Mullendorf wirklich liebte. Er konnte es sich nicht vorstellen, jemals woanders hinzuziehen. Aber Kurt konnte sich einiges nicht vorstellen, um die Sache etwas zu relativieren. Sein Intelligenzquotient lag nur knapp über dem meines Hundes, das hatten wir mal gemessen. Kurt war nicht traurig über das Ergebnis gewesen. Im Gegenteil. Er freute sich, weil er sich danach über die Würstchen hermachen durfte, die für den Gewinner des Tests bereitstanden.
    Er stand auf und lief aus der dunklen Garage ins Licht. Er war sehr gut gebaut, hatte kräftige Oberarme und ein knackiges Hinterteil, so dass man sich beherrschen musste, ihn nicht die ganze Zeit anzustarren. Aber Kurt war tabu. Er war der Freund meiner besten Freundin Viviane – Knackarsch hin oder her.
Er blinzelte in die Sonne, die sich hinter dem Fremden langsam senkte. »Ihr Wagen?«, fragte Kurt.
Der Fremde nickte. »Alter Opel.«
»Aha.«
    Es ist erstaunlich, wie kurz die Gespräche zwischen Männern sein können. Ich hätte noch die Geschichte mit dem neunzehn Kilometer langen Schieben auf der Autobahn oder wie ich mir mal einen Fingernagel beim Öffnen der Motorhaube abgebrochen hatte mit dazu geliefert. Aber Kurt und dem Fremden reichten die vier Worte. Auch am Wagen angekommen unterhielten sie sich nur einsilbig über dessen Macken, was jedoch völlig genügte. Nach wenigen Minuten hatte Kurt das Übel gefunden.
»Das Zündkabel ist defekt, außerdem ist die Elektronik nicht mehr die neueste. Der Wagen kommt nicht mehr weit.«
»Haben Sie die erforderlichen Ersatzteile hier?«, fragte der Fremde. Er klang sehr höflich und ruhig, obwohl ihm inzwischen klar sein musste, dass er in der schrecklichsten Einöde gelandet war und seine Termine – oder was auch immer er im Norden vorhatte – nicht mehr einhalten konnte.
»Die Ersatzteile müssten wir bestellen, das dauert«, meinte Kurt. »Und die Elektronik ist noch eine andere Sache. So etwas wird heute gar nicht mehr hergestellt. Ihr Wagen läuft ja fast noch mit Dampfantrieb.«
Kurt war zwar nur wenig cleverer als mein Hund, aber von Autos hatte er echt Ahnung.
»Kannst du den Wagen nun reparieren oder nicht?«, fragte ich ungeduldig, während ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Leif im Laden vor Zorn ein rotes Gesicht bekam, als er bemerkte, dass Kurt mit dem Fremden verhandelte. Gleich kam er raus und machte mich rund.
»Ich denke, ihr könnt euch hier alleine einigen«, sagte ich schnell und ging zu einem Kunden, der vor wenigen Minuten von der Autobahn gerollt war und seinen Lieferwagen frisch betankte.
»Soll ich Ihre Scheibe putzen?«, bot ich dem Mann an, der eine weiße Hose trug, die er mit einem braunen Gürtel unter seinem dicken Bauch festhielt. Sein Shirt, das über seiner Wampe spannte und mit dem Bauch auf- und abhüpfte wie ein aufgeregter Luftballon, war viel zu kurz, so dass man seine starke Behaarung sehen konnte. In diesem Fall hätte ich die Dinge lieber meiner Fantasie überlassen. Auf einem Schild, das an seine linke Brust geheftet war, stand ›Cleos Fliesenhaus – Frank bedient Sie‹. »Außerdem brauchen Sie Luft.«
Frank murmelte seine Zustimmung, so dass ich den Eimer mit dem Wischwasser nahm und mit dem Putzen begann, doch wenn ich dachte, dass ich Leif damit abhalten konnte, mich abzukanzeln, hatte ich mich getäuscht. Er kam auf mich zugestürzt. »Was hatte ich dir gesagt?«, fauchte er. »Du sollst den Fremden wegfahren oder wegschieben lassen oder was auch immer. Ich will ihn hier jedenfalls nicht

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