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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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Handtasche gesehen? Ich dachte, das machen die nur im Fernsehen.“ Spaßeshalber hielten wir auch Ausschau nach hübschen Männern, aber die waren im Frankfurter Straßenbild leider selten. Zu viele glatte Banker oder abgeramschte Jugendliche mit Basecap und dem Hosenboden irgendwo zwischen den Knien. Wir rätselten gerade, was solche Jungs machten, wenn mal ein großer Schritt nötig war, etwa über eine Pfütze oder in einen Linienbus, der nicht direkt am Bordstein hielt, als ein Schatten über unsere Tassen fiel.
    „Guten Tag, die Damen“, sagte ein gut gekleideter Typ. Ende dreißig vielleicht, mit modischem Haarschnitt und einem Durchschnittsgesicht. „Darf ich kurz stören?“
    „Kommt drauf an“, sagte Alexa. „Wenn Sie nach dem Weg fragen wollen, ja. Wenn Sie mit uns über Gott reden wollen, nein.“
    Der Mann lächelte.
    „Weder noch. Mein Name ist Tobias Müller, ich bin Modelscout für die Agentur IMB. Und Sie sind...?“
    Er sah mich direkt an.
    „Anna Stubbe“, stellte ich mich vor.
    „Freut mich, Anna.“ Er reichte mir eine Visitenkarte, die ich gehorsam betrachtete.
    „Sie sind mir gerade aufgefallen“, sagte er. „Wir suchen noch neue Gesichter für eine Modekampagne. Frische, junge, mitteleuropäische Typen, so wie Sie. Darf ich fragen, wie groß Sie sind?“
    „Ähm... einsachtundsiebzig?“
    „Perfekt. Und haben Sie schon einmal gemodelt?“
    „Nein“, log ich. „Noch nie.“
    „Würden Sie es denn gerne mal versuchen? Sie könnten in der Agentur vorbeikommen, ganz unverbindlich. Wir machen dann ein paar Fotos und stellen Sie bei unserm Auftraggeber vor. Das könnte ein sehr lukrativer Job für Sie werden.“
    Déja vu: Schon beim ersten Mal, vor über vierzig Jahren, war ich auf der Straße von einem Modelscout angesprochen worden. Ich überlegte kurz. Geld brauchte ich keines, aber wenn ich ehrlich war, hatte es mir gefallen, so im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Schöne Kleider, tolle Frisuren, Bewunderung, Partys... mein Leben konnte tatsächlich ein bisschen Glamour vertragen.
    „Mal sehen“, sagte ich gnädig. „Wenn ich die Zeit finde.“
    „Und was ist mit mir?“, fragte Alexa halb scherzhaft, halb empört. „Bin ich etwa kein mitteleuropäischer Typ, oder was?“
    „Sie entschuldigen, ich wollte nicht verletzend sein. Sie sind eine sehr attraktive Frau. Leider haben wir derzeit keine Aufträge für Plus-Size-Models.“
    Alexa blieb die Sprache weg. Tobias Müller verabschiedete sich höflich und ging seines Weges.
    „Plus Size!“, schnaubte Alexa schließlich. „Ich glaube, ich spinne! Lieber ein Plus-Size-Model als ein Mini-Size-Brain! Du wirst da doch nicht etwa hingehen?!“
    „Ich bin noch am Überlegen.“ Ich leckte etwas Milchschaum von meinem Löffel. „Lust hätte ich schon, das mal auszuprobieren. Das kann ja nicht so schwer sein, oder?“
    „Wenn du das machst, begehst du Verrat an allen normalgewichtigen Frauen“, drohte Alexa. „Plus-Size! Ich werd nicht mehr. Auf diesen Schreck brauch ich ein Stück Schwarzwälder-Kirsch. Du nicht! Du bist ja jetzt ein Minus-Size-Model. Du darfst mir beim Essen zusehen.“

    Aber neugierig war sie doch, und so nahm ich sie zu meinem Probe-Shooting mit. Irgendwie war mir auch wohler, dort nicht alleine aufzukreuzen.
    Die Agentur lag in einem vornehmen Villenvorort. Wir überquerten einen sauber gepflasterten Hinterhof mit großen Kübelpflanzen und Korbmöbeln und klingelten an einer Tür aus Milchglas.
    IMB Models International , stand auf einem eleganten Schild an der Fassade.
    Ein sehr junges, sehr dünnes Mädchen mit strenger Ponyfrisur machte uns auf.
    „Was kann ich für Sie tun?“
    Ich stellte mich vor und schilderte mein Anliegen. Als ich den Namen des Scouts erwähnte, erhellte sich ihr Gesicht, und sie bat uns freundlich herein.
    „Ich gucke nur zu“, versicherte ihr Alexa. „Ich habe sowieso keine Zeit für Jobs als Plus-Size-Model.“
    Das Ponymädchen führte uns durch ein offenes, lichtdurchflutetes Büro in einen Wartebereich mit schwarzem Ledersofa.
    „Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wasser? Kaffee?“ Wir lehnten dankend ab, und das Ponymädchen zog sich zurück, nicht ohne uns zu versichern, die Chefin würde sich sofort um uns kümmern.
    Die Wand dem Sofa gegenüber war mit Fotos bedeckt. Hauptsächlich Frauen verschiedenen Typs, alle sehr schlank und klassisch schön, aber auch ein paar hübsche Männer. Unter den Fotos befand sich jeweils ein kleines Fach, aus dem man das

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