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Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Piel
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und als der Papierkram erledigt war, machten wir uns auf den Weg nach Hause.

    „Das ist ja so spannend“, freute sich Alexa. „Du wirst ein richtiges Model!“
    „Jetzt warte es mal ab. Wer weiß, was das für ein Designer ist. Wenn der Sachen fürs Homeshopping macht, bin ich sofort wieder weg.“
    „Du kommst groß raus, bestimmt! Du wirst in Mailand und in New York auftreten. Du solltest ein Blog führen, damit wir armen Sterblichen immer wissen, wo du bist.“
    Während sie weiter fantasierte, sah ich sie von der Seite an. Es wäre wirklich schade um dieses Leben. Ich mochte die armen Sterblichen, die mich umgaben. Ein bisschen Glanz und Glamour der Modelwelt in meinem schlichten Studentendasein, und das konnte eines meiner Lieblingsleben werden. Es war lange her, dass ich meiner Umwelt gegenüber so freundschaftliche Gefühle empfunden hatte.
    Man sah es mir nicht an, aber vielleicht wurde ich einfach alt.

13. Kapitel
    In den Wäldern bei Bedburg, Anfang November 1589
    « Du hast den Kuss empfangen und bist nun eine von uns. »

    Zumindest fror Sibil nun nicht mehr. Wenn sie vor der Höhle stand und in den kalten, kahlen Wald hinaus starrte, fühlte sich ihr Körper warm und lebendig an. Manchmal war sie verwundert, dass der Schnee um sie herum nicht schmolz. Ihre Kutte behielt sie trotzdem an, obwohl sie nach Gefängnis, Angst und Tod stank.
    Auch das war neu: Gerüche, die so intensiv waren, dass ihr beinahe schwindelig davon wurde. Sie roch Wild, wenn es auf der Suche nach Futter in weitem Abstand an der Höhle vorbeikam. Sie roch die Mäuse unter dem Schnee, und sie roch es, wenn Raffaelus und Marina sich auf den Fellen vergnügten.
    Außerdem verspürte sie einen Hunger wie noch nie in ihrem Leben. Das Rudel – wie Raffaelus seine Gruppe nannte – versorgte sie mit gebratenem Fleisch, das sie begierig hinunterschlang, und dennoch träumte sie manchmal vom rohen, heißen Fleisch eines Rehs oder Hirsches und von pulsierendem Blut.
    Die Wunde an ihrer Schulter heilte schneller, als sie es für möglich gehalten hätte. Bereits am zweiten Tag war alles verschorft, und sie spürte, wie unter der dunklen Kruste prickelnd neue Haut entstand. Was blieb, war die Angst. Roderik und Utz fürchtete sie am meisten. Sie sahen manchmal mit grün glitzernden Augen zu ihr hinüber, und Utz rieb sich manchmal dabei sein pralles Geschlecht. Einmal hatte er versucht, ihr den Kittel vom Leib zu ziehen. Raffaelus' Faustschlag hatte ihn gegen die Wand geschleudert, wo er eine Weile reglos liegengeblieben war. Seitdem hielt er sich fern, aber seine Blicke verfolgten sie. In ihrer Tiergestalt waren die Männer noch beängstigender, riesige, unnatürlich aussehende Bestien mit Muskelpaketen unter dem struppigen Fell. Die Vorderläufe waren länger als die Hinterläufe, was ihnen stets eine bedrohliche Aufrichtung verlieh. Sibil hatte auch schon gesehen, dass sie sich nur zur Hälfte verwandelten, Tiermenschen mit haarigen Armen und dämonischen Fratzen.
    Sicher waren sie alle die Buhlen des Teufels, und Sibil hatte ein bitteres Lachen in den Mundwinkeln, wenn sie an die Bucklige, die Alte und die Rothaarige dachte, die als Hexen verbrannt wurden, während hier die Ausgeburten der Hölle durch den Wald hetzten.
    Sie fragte sich, ob sie nun auch in der Lage war, sich zu verwandeln, aber der Gedanke war so schrecklich, dass sie niemanden zu fragen wagte.
    Ihr altes Leben lag so weit hinter ihr, dass es ihr vorkam wie ein unwirklicher Traum. Katharina und der Vater mussten mittlerweile tot sein. Hatte man sie vorher gefoltert? Vielleicht waren sie klug genug gewesen, sofort zu gestehen.
    Sibil versuchte, Trauer zu empfinden, aber ihr Verstand weigerte sich, zu begreifen, was alles geschehen war.
    „Möchtest du essen?“
    Sie schrak herum. Hinter ihr stand Adam und lächelte entschuldigend, während er ihr ein Stück gebratenes Fleisch mit Knochen hinhielt. Es musste wohl ein Kaninchen gewesen sein.
    „Iss, sonst nehmen es sich die anderen.“
    Dankbar griff sie zu. Sie pflückte das mürbe Fleisch mit den Fingern vom Knochen und stopfte es sich in den Mund. Adam sah ihr zu. Er war der jüngste und schwächste im Rudel, und sie mochte ihn mit seiner ruhigen Art. Nur dass er wie die anderen nackt herumlief, wenn er sich in Menschengestalt bewegte, irritierte sie.
    „Warum tragt ihr keine Kleidung?“, fragte sie kauend.
    „Brauchen wir nicht“, sagte Adam. „Wir frieren nicht, das hast du sicher auch schon

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