Die Antikriegs-Maschine
im Büro, Luke?« fragte Vicky dicht hinter ihm.
Hutchman beobachtete, wie sein Pfeil die Scheibe fast verfehlte und den äußersten Rand durchschlug. »Ich habe gar nicht gehört, daß du gekommen bist«, sagte er ruhig. Er drehte sich um und betrachtete ihr Gesicht; er wußte, daß sie ihn absichtlich erschreckt hatte, aber er wollte erst wissen, ob sie ihn bewußt herausforderte oder die Unschuldige spielte. Ihre braunen Augen erwiderten seinen Blick feindselig.
Gut, wie du willst, dachte er. »Warum hast du dich so angeschlichen? Du hast mir einen Schuß verdorben.«
Sie zuckte mit den Schultern. Unter ihrer sonnengebräunten Haut zeichneten sich dabei die Salznäpfchen hinter den Schlüsselbeinen ab. »Du kannst den ganzen Abend mit Pfeil und Bogen spielen.«
»Bogenschießen ist ein ernsthafter Sport! Wie oft soll ich dir noch…« Er beherrschte sich. Absichtliche Wortverdrehungen waren ihre Spezialität. »Was willst du, Vicky?«
»Ich möchte wissen, warum du heute nachmittag nicht im Büro bist.« Sie betrachtete die Haut ihrer gebräunten Oberarme kritisch, runzelte die Stirn und schien die geheimen Sorgen zu empfinden, von denen schöne Frauen zuweilen befallen werden, wenn sie ihren Körper betrachten. »Ich habe wohl das Recht, danach zu fragen.«
»Heute nachmittag war mir die Arbeit einfach zu viel.« Ich kann Neutronen nach einer neuen Melodie tanzen lassen. »Einverstanden?«
»Wie schön für dich!« Vicky verzog kurz das Gesicht. »Ich wollte, ich könnte aufhören, wann’s mir Spaß macht.«
» Du hast es noch besser – du fängst mit der Arbeit überhaupt erst an, wenn du Lust hast.«
»Witzbold! Hast du schon gegessen?«
»Danke, ich habe keinen Hunger. Ich bleibe hier und schieße die Runde zu Ende.« Hutchman wünschte sich sehnlichst, Vicky würde gehen. Trotz des Fehlschusses konnte er die magische Tausendergrenze übertreffen, wenn er das Universum völlig ausschloß und jeden Pfeil wie den letzten behandelte. Hutchman wußte in diesem Augenblick, daß er den nächsten Pfeil genau in die Mitte der Scheibe jagen konnte – wenn er seine Ruhe hatte.
» Aha, du willst wieder in eine deiner Trancen versinken. Wen stellst du dir dabei vor – Trisha Garland?«
»Trisha Garland?« fragte er irritiert. »Verdammt noch mal, wer ist Trisha Garland?«
»Als ob du das nicht wüßtest!«
»Ich habe keine Ahnung, wer die Dame ist.«
» Dame! Das sieht dir ähnlich, sie als Dame zu bezeichnen – dieses Flittchen, das keine Note singen kann!«
Hutchman starrte seine Frau an. Sie mußte die Sängerin meinen, die er am Vorabend für kurze Zeit auf dem Bildschirm gesehen hatte. Blinder Zorn stieg in ihm auf. Du bist krank! warf er ihr innerlich vor. Du bist so krank, daß es mich schon krank macht, nur in deiner Nähe zu sein. Laut sagte er: »Ich kann niemanden brauchen, der hier singt, während ich schieße.«
»Oh, du weißt also doch, wen ich meine.« Vickys Gesicht unter der kupferroten Mähne war triumphierend. »Warum hast du vorgegeben, sie nicht zu kennen?«
»Vicky.« Hutchman kehrte ihr den Rücken zu. »Verschwinde endlich, bevor ich dir einen Pfeil durch den Kopf jage!«
Er griff nach dem nächsten Pfeil, zog die Sehne zurück und zielte sorgfältig. Das Ziel schien plötzlich sehr weit entfernt zu sein. Er schoß – und wußte im gleichen Augenblick, daß der Pfeil sein Ziel verfehlen würde. Der Pfeil zischte darüber hinweg. Hutchman fluchte unbeherrscht, schnallte sich den Armschutz ab und zerrte ungeduldig an den Riemen.
»Entschuldige, Liebling«, sagte Vicky zerknirscht wie ein Kind und schlang von rückwärts die Arme um ihn. »Ich kann eben nichts dafür, wenn ich eifersüchtig auf dich bin.«
»Eifersüchtig!« Hutchman lachte unsicher und merkte dabei, daß er dicht davor war, in Tränen auszubrechen. »Nehmen wir einmal an, du würdest mich dabei ertappen, wie ich eine andere Frau küsse, und mir dann eine Szene machen – das wäre Eifersucht. Aber wenn du dir etwas ausmalst, was mit Leuten zu tun hat, die du auf dem Bildschirm gesehen hast, und dann über mich herfällst – das ist etwas anderes.«
»Ich liebe dich so sehr, daß ich andere Frauen nicht einmal sehen will.« Vickys rechte Hand glitt von seiner Taille aus zielsicher tiefer, und Hutchman spürte im gleichen Augenblick den Druck ihrer Brüste gegen seinen Rücken. Sie legte den Kopf zwischen seine Schulterblätter. »David ist noch in der Schule.«
Ich bin ein Trottel, wenn ich darauf
Weitere Kostenlose Bücher