Die Apfelprinzessin
einmal wünschte ich, ich hätte die Kette nicht genommen, und auch nicht den Keks. Ich wollte mit niemandem gehen, und ganz bestimmt nicht mit Max. Max war mein Kumpel, und das war’s.
»Aber … ich dachte, die Sachen kämen ganz woanders her«, sagte ich.
»Woher sollten sie denn kommen?«
»Ich dachte, das hätte mit meiner Glückssträhne zu tun.«
»Glückssträhne?«, wiederholte Max. »Das ist doch Blödsinn, Clara Lee. Wissenschaftler sagen, so was wie Glück oder Pech gibt es gar nicht.«
Ich starrte ihn an. »Gibt es wohl!«
»Also jetzt sag schon: Willst du mit mir gehen oder nicht?«
»Nein«, sagte ich gehässig. »Kommt gar nicht infrage.«
Max guckte böse. »Dann gib mir meine Kette zurück!«
»Nein! Die hast du mir doch geschenkt! Und Geschenke kann man nicht zurücknehmen.«
Max streckte eine Hand nach der Kette aus, aber ich hielt sie, so fest ich konnte.
»Gib her!«
»Das ist meine!«
»Gib her!«
In dem Moment riss der Gummifaden, und es regnete Zuckerperlen, manche fielen mir auf den Schoß, andere landeten auf dem Sitz. Meine schöne Kette! Mein Erkennungszeichen!
»Guck mal, was du gemacht hast!«, brüllte ich. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen traten, wie Nadeln stachen sie.
Es schien Max leidzutun, aber nicht sehr, nur ein bisschen. »War ja sowieso meine Kette«, sagte er, sammelte mehrere Perlen auf und schob sich eine in den Mund.
»Hör mal, Max, was man jemandem schenkt, gehört einem nicht mehr. Kapiert?« Dann habe ich ihn getreten, so fest, dass er vom Sitz fiel und am Boden landete.
Rums!
Er sah aus, als würde er gleich weinen. Oje – vielleicht war ich doch zu weit gegangen.
»Ich will sowieso nicht mehr mit dir gehen, Clara Lee!«, sagte Max. Dann stand er auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Du bist eine Angeberin, und
sooo
besonders sind deine Haare auch nicht. Weißt du, was? Ich hoffe, du wirst nicht Apfelprinzessin, das hast du nämlich gar nicht verdient.«
Damit packte er seinen Rucksack und setzte sich auf den freien Platz zwei Reihen weiter vorn.
Shayna tippte mich auf die Schulter. »Hey, was ist denn los?«
»Wieso hast du meinen Bruder von der Bank geschubst?«, fragte Georgina mit einem vorwurfsvollen Blick.
»Geht euch gar nichts an«, sagte ich und drehte mich weg.
»Clara Lee!«, sagte Shayna. Aber ich wollte mich nicht umdrehen. Ich hatte Angst, ich würde gleich losheulen, und nichts hasste ich mehr, als vor anderen zu weinen.
»Was hast du denn, Clara Lee?«, fragte mich Emmeline auf dem Weg von der Bushaltestelle nach Hause.
»Nichts«, sagte ich.
»Doch, du hast was«, beharrte sie. »Das merke ich. Sag’s deiner Schwester: Was ist passiert?«
Ich seufzte. Ich schob einen Stein mit dem großen Zeh vor mir her und sagte: »Ich hatte doch diesen Glückstraum – erinnerst du dich?«
»M-hm.«
»Also, erst hatte ich auch lauter Glück, aber jetzt auf einmal ist es weg, und ich hab bloß noch Pech.« Ich atmete tief aus. »Dionne Gregory findet, ich bin nicht amerikanisch genug, um Apfelprinzessin zu werden.«
»Dionne Gregory ist eine Wichtigtuerin.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, die meint doch, sie weiß alles besser«, erklärte Emmeline. »So wie du manchmal.«
Ich warf ihr einen bösen Blick zu.
»Aber nicht heute«, fügte sie schnell hinzu.
»Danke«, sagte ich. »Aber das ist noch nicht alles. Max und ich hatten Krach, und ich hab ihn getreten, dass er aus der Bank gefallen ist, und jetzt hassen mich alle.«
»Selber schuld«, sagte Emmeline achselzuckend. »War auch blöd von dir, ihn so zu treten.«
»Das weiß ich auch!«
»Wieso hast du’s dann gemacht?«
»Keine Ahnung«, sagte ich zerknirscht. »Wahrscheinlich war ich bloß sauer wegen der Sache mit Dionne.«
»Bestimmt verpetzt er dich bei seinen Eltern, wenn er nach Hause kommt, und dann kriegst du Ärger mit Mama und Papa und Opa. Wetten, seine Mama ruft bei uns an? Soll ich was machen, um Mama und Papa abzulenken, wenn das Telefon klingelt?«
»Schon gut, Max petzt nicht«, sagte ich.Jedenfalls konnte ich mir das nicht vorstellen. Max war keine Petzliese. Das war nicht seine Art. Andererseits – er hatte schon ziemlich wütend ausgesehen, als er da auf dem Boden saß. Vielleicht würde er es ja doch seinen Eltern erzählen.
Als wir zu Hause ankamen, zog ich mir wie immer die Schuhe aus und wollte mich unauffällig in mein Zimmer verdrücken. So müsste ich Opa nicht alles erzählen, was in der Schule
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