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Die Arche

Die Arche

Titel: Die Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Im Innern seines Kopfes bliebe er alt und sähe
die Welt mit Augen, die trüb und müde waren von vierhundert
Jahren Krieg. Er hatte sein Möglichstes getan und emotional
einen hohen Preis bezahlt. Wahrscheinlich brächte er die Energie
für ein weiteres Leben nicht mehr auf. Er war schon zufrieden
damit, bisher nicht völlig gescheitert zu sein.
    Und so legte er sich zum letzten Mal in den
Kälteschlaftank.
    Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, veranlasste er die Absetzung
einer Laserbotschaft ins sterbende Resurgam-System. Sie war mit einem
Einmalblock verschlüsselt und an die Zodiakallicht gerichtet. Falls das Schiff nicht völlig zerstört
worden war, konnte es das Signal vielleicht auffangen und
entschlüsseln. Die anderen Synthetiker-Schiffe würden es
nicht zu Gesicht bekommen, und sollte es Skades Leuten
tatsächlich gelungen sein, im Raum um Resurgam Empfänger
auszusetzen, so wären sie nicht fähig, den Code zu
knacken.
    Der Inhalt der Nachricht war einfach. Remontoire, Khouri, Thorn
und ihre Begleiter wurden davon in Kenntnis gesetzt, dass die Sehnsucht nach Unendlichkeit im System der Musterschieber
abbremsen und dort für zwanzig Jahre Station machen würde.
Das gab der Zodiakallicht ausreichend Zeit, sich ebenfalls
dort einzufinden; und es genügte für die Gründung
einer autonomen Kolonie mit zwanzig- bis dreißigtausend
Menschen, die dem Schiff auch später bei eventuellen
Katastrophen als Anlaufstelle dienen konnte.
    Damit hatte Clavain in diesem kleinen, aber wichtigen Bereich
seine Angelegenheiten geordnet und schlief beruhigt ein.
    * * *
    Als er erwachte, hatte sich die Sehnsucht nach Unendlichkeit umgestaltet, ohne jemanden um Erlaubnis zu fragen.
    Niemand wusste, warum.
    Von innen fielen die Veränderungen kaum auf; nur von
außen – von einem Inspektionsshuttle aus betrachtet –
wurden sie deutlich. Sie waren während der Abbremsphase erfolgt,
als das große Schiff in das neue System einflog. Mit der
Kriechgeschwindigkeit einer Landerosion hatte sich das hintere Ende
des konischen Schiffsrumpfs, normalerweise selbst ein kleinerer,
inverser Kegel, zentimeterweise abgeflacht, bis es aussah wie der
Fuß einer Schachfigur. Die Transformation hatte sich nicht
steuern lassen, ja, sie war bereits zum großen Teil vollzogen,
bevor irgendjemand aufmerksam wurde. In dem riesigen Schiff gab es
Gewölbe, die nur einmal in einem Jahrhundert von Menschen
besucht wurden, und dazu gehörten die hinteren Bereiche des
Rumpfes. Die Maschinerie, die sich dort versteckte, war heimlich
abgebaut oder weiter nach vorne in andere nicht mehr benutzte
Räume verlagert worden. Ilia Volyova wäre das vielleicht
früher als jedem anderen aufgefallen – es gab nicht viel,
was Ilia Volyova entgangen wäre –, aber sie war nicht mehr,
und die neuen Bewohner des Schiffes hatten das Territorium noch nicht
mit solchem Eifer erkundet.
    Die Veränderungen waren weder lebensbedrohlich, noch
beeinträchtigten sie die Leistungsfähigkeit des Schiffes,
aber sie blieben rätselhaft. Außerdem waren sie – als
ob das nötig gewesen wäre – ein weiterer Beweis
dafür, dass von der Psyche des Captains noch Reste vorhanden
waren und man in Zukunft wohl öfter mit solchen
Überraschungen rechnen musste. Dass der Captain bei der
Veränderung des Schiffes, zu dem er geworden war, eine gewisse
Rolle gespielt hatte, stand kaum außer Zweifel. Viel schwerer
ließ sich die Frage beantworten, ob diese Umgestaltung einem
bestimmten Zweck diente oder lediglich einer irrationalen Laune,
einem wirren Traum entsprungen war.
    Man war freilich mit so vielen anderen Dingen beschäftigt,
dass man zunächst nicht weiter darauf achtete. Die Sehnsucht
nach Unendlichkeit ging in einen niedrigen Orbit um die
Wasserwelt und schickte Sonden in die Atmosphäre und die
riesigen, türkisgrünen Ozeane, die diese Welt nahezu von
Pol zu Pol umschlossen. Darüber waren wild brodelnde Wolken wie
Sahnehäubchen willkürlich an den Himmel getupft.
Große Landmassen gab es nicht; der Ozean wurde, so weit
sichtbar, nur von ein paar wie achtlos hingeworfenen Inselgruppen
unterbrochen, ockergelben Farbschmierern auf einem blau-grünen
Riesenauge. Je näher sie kamen, desto mehr wuchs ihre
Überzeugung, dass es sich um eine Schieberwelt handelte. Alle
Anzeichen bestätigten es. Kontinentgroße Flöße
lebender Biomasse färbten weite Bereiche des Ozeans
graugrün. Die Atmosphäre war für Menschen atembar, und
im Humus und im Fels der Insel fanden sich

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