Die Artefakte der Macht 02 - Windharfe
dich nicht überfordert!« Hreezas Augen strahlten wieder. Bevor Shia den abscheulichen Stab wieder ins Maul nahm, berührte sie kurz und mit einer von Herzen kommenden Geste des Dankes die Nase des jungen Männchens mit ihrer eigenen.
»Shia? Bist du das wirklich?« Anvars Gedankenstimme zitterte vor Freude und Erleichterung, obwohl die Katze sicher war, daß niemand auf der Welt größere Erleichterung als sie darüber verspürte, daß es ihr endlich gelungen war, Kontakt zu dem Magusch aufzunehmen. Als sie ihm erzählte, daß Aurian sie mit dem Stab der Erde zu ihm geschickt hatte, spürte sie, wie seine Hoffnung wieder aufflammte; allein das war die qualvolle Reise wert. »Ich habe dich gesehen!« rief er. »In einem Traum, als du die Berge überquert hast, aber ich dachte, es sei nur eine Fieberphantasie.« Anvar war jedoch so begierig darauf, von Aurian zu hören, daß er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte, ehe Shia ihm das Wenige, das sie wußte, mitgeteilt hatte. Wegen ihrer stärkeren Verbindung mit der Magusch hoffte sie, den geistigen Kontakt zu Aurian wiederherstellen zu können, sobald ihre Kräfte wieder zurückgekehrt waren, eine Hoffnung, die Anvar mit ihr teilte. Ob dies über eine so große Entfernung möglich sein würde, konnte sich nur mit der Zeit erweisen.
Unglücklicherweise konnte Anvar der Katze bei ihren augenblicklichen Schwierigkeiten jedoch nicht helfen. »Der Felsen ist, soweit ich das von hier oben beurteilen kann, eine einzige steile Wand«, sagte er zu ihr. »Zu meiner Linken gibt es einen Wasserfall, etwa einen Bogenschuß von der Höhle entfernt, aber dieser Wasserfall wird dir kaum von Nutzen sein, die Strömung ist sehr schnell, und es sieht nicht so aus, als könnte man dahinter gelangen.«
»Zumindest werden wir auf diese Weise herausbekommen, wo der Mensch zu finden ist«, bemerkte Khanu zu Shia. Obwohl er Anvar »hören« konnte, hatte er bisher noch nicht den Mut gefunden, dieses fremdartige Wesen direkt anzusprechen.
»Dein Freund hat ganz recht«, sagte Anvar, als Shia die Bemerkung des jungen Katers an ihn weitergab.
»Ganz bestimmt sogar«, pflichtete sie ihm bei. »Wir suchen jetzt schon seit Sonnenaufgang und haben nicht die Spur eines Weges gefunden, auf dem wir zu dir hinauf gelangen könnten. Ich habe auf einen Tunnel gehofft, aber …«
»Nein, es wird nicht so leicht sein wie in Dhiammara. Ich habe diese Höhle gründlich untersucht, und es gibt keinen anderen Ausgang hier. Bei den Göttern, Shia«, Anvars Gedanken bebten vor Enttäuschung, »bist du sicher, daß du den Felsen nicht erklimmen kannst?«
»Keine Angst, wir werden weitersuchen«, sagte Shia zu dem Magusch. »Diese niedrigen Wolken werden uns gegen mögliche Beobachter von oben abschirmen.«
»Diese niedrigen Wolken werden überdies gleich neue Schneemassen auf eure Köpfe niedergehen lassen«, bemerkte Hreeza spitz, aber niemand kümmerte sich um sie. Mit einem verdrossenen Kopfschütteln humpelte die alte Katze steif hinter den anderen her, die sich nun von neuem auf die Suche machten.
Eine Stunde später wünschte Shia, sie hätte Hreezas Warnungen Beachtung geschenkt. Die Katzen waren am Fuß des Felsens entlanggegangen, bis sie den gewaltigen Wasserfall entdeckten, und gerade als sie den aufgewühlten, grünen Teich am Fuß der herabstürzenden Wassermassen erkundeten, begann es wieder zu schneien.
Dicke, schwere Flocken wirbelten um sie herum. Der anschwellende Wind peitschte sie ihnen ins Gesicht und häufte am Fuß des Felsens gewaltige Schneewehen auf, die es ihnen unmöglich machten, dort Zuflucht zu suchen. Wahrhaftig, die einzige geschützte Stelle auf diesem windgepeitschten Plateau lag weit hinter ihnen – die Schlucht, durch die sie auf den Gipfel gelangt waren.
»Nun, es hat keinen Sinn zu versuchen, jetzt noch dorthin zurückzukehren«, meinte Hreeza. »Lange bevor wir dort ankämen, wären wir schon tot.« Trotz ihres dicken, zotteligen Fells zitterte sie heftig, und ihr schwarzer Pelz war bereits mit einer dichten, eisigen Schneeschicht überzogen. »Wir können genausogut weitergehen und versuchen, irgendwo anders am Fuß des Felsens Schutz zu finden.«
Shia warf einen zweifelnden Blick auf die immer größer werdenden Schneewehen. »Einmal angenommen, es gäbe – einen solchen Platz. Wie sollen wir ihn unter diesen Bedingungen finden?« Sie schloß ihr Maul noch fester um den Erdenstab. »Es gibt nur eins, was ich tun kann. Ich muß sofort zu Anvar
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