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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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weiß jetzt, dass es bloß einer der alten Gegenstände ist. So nützlich wie ein rostiger Nagel.«
    »Jonah hätte es verstanden.«
    »Vielleicht war es besser, als ich noch geglaubt habe, ich könnte mit denen auf der anderen Seite sprechen«, sagte Dax nach langem Schweigen.
    Hadrian wies auf eine Bank oberhalb des Sees. Sie setzten sich. Kinder liefen am Ufer Schlittschuh. Dax beobachtete sie mit entrückter Miene. Hadrian musste nicht zum ersten Mal daran denken, welche Qualen der Junge durchlitten hatte, auf wie vielerlei Weise sein Weltbild erschüttert worden war, wie er sich mit Wahrheiten hatte auseinandersetzen müssen, vor denen die meisten Erwachsenen geflohen wären. Dax war seiner Kindheit entwachsen, seit Hadrian ihn kennengelernt hatte.
    »Ich habe mal einen alten Mann aus China gekannt, der Briefe an seine Mutter geschrieben hat«, sagte Hadrian schließlich. »Sie war schon Jahre zuvor gestorben, am anderenEnde der Welt. Er nahm jeden der Briefe an einen stillen Ort mit, zündete ihn an und schaute der Asche hinterher, wie sie zum Himmel aufstieg. Er sagte, er wüsste, dass seine Mutter jede dieser Nachrichten erhalten würde. Ich verrate dir jetzt ein Geheimnis, Dax, das ich noch niemandem auf der ganzen Welt anvertraut habe. Ich schreibe jedem meiner toten Kinder an seinem Geburtstag einen Brief. Den nehme ich dann auf ein Sims am See mit und verbrenne ihn bei Sonnenuntergang.«
    Der Junge dachte lange über diese Worte nach und nickte dann. »Ich muss Mr. Jonah noch einiges sagen. Aber ich habe kein Papier.«
    »Ich weiß, wo wir welches finden können.«
    Mitten am Nachmittag war die Bibliothek fast menschenleer. Niemand schien zu bemerken, dass Hadrian mit Dax in die renovierte Werkstatt im ersten Stock ging und ihm auftrug, er solle sich an den Schreibtisch setzen. Dann holte er Papier, Feder und Tinte aus der Schublade und sagte dem Jungen, er würde Mette auf der anderen Straßenseite einen Besuch abstatten.
    »Ich bin eine Bäckerin ohne Mehl«, begrüßte die Norgerin ihn und bestand darauf, ihm einen Teller Bratäpfel mit Ahornsirup vorzusetzen. Ihr Neffe, einer der Ersten, die das neue Medikament erhalten hatten, war an jenem Morgen bei klarem Verstand gewesen und hatte sich nach seiner Familie erkundigt.
    Eine halbe Stunde später kehrte Hadrian in die Bibliothek zurück. Dax faltete gerade den Brief zusammen. Als Hadrian ihm die Tüte Süßigkeiten reichte, die Mette ihm mitgegeben hatte, schob Dax den Brief zu ihm herüber. »Ich weiß auch nicht. Ich habe nie gelernt, wie man betet oder so.«
    Hadrian zögerte, sah dann die erwartungsvolle Miene des Jungen und nahm den Brief.
     
    Lieber Mr. Jonah,
     
    es tut mir sehr leid, dass Sie sterben mussten. Manchmal, wenn ich durch den Wald gehe, fühle ich Sie an meiner Seite. Ich war derjenige, der das Buch gestohlen hat, und ich habe es Ihnen nie gesagt. Ich wollte ein Schakal sein. Aber Mr. Hadrian hat mir die Wahrheit über die Schakale gezeigt. Wir konnten sie aufhalten, und nun liegen sie in einem großen schwarzen Boot auf dem Grund des Sees. Ich weiß jetzt über Ihre alte Welt Bescheid, und es tut mir leid, dass sie kaputtgegangen ist. Ich glaube, ich verstehe, was damit gemeint ist, den Funken am Leben zu erhalten.
    Draußen im Ruinengebiet habe ich einen Wolf gehört und gelächelt, weil ich dachte, das könnten Sie sein. Mr. Hadrian und ich haben jetzt niemanden mehr. Ich werde ihn bitten, mir beim Lernen der Sternbilder zu helfen, wie Sie sich das für mich gewünscht haben. Und vielleicht können wir manchmal zusammen Bücher lesen. Er und ich müssen nun den Funken bewahren. Ich möchte der Junge sein, für den Sie mich gehalten haben.
     
    Amen,
    Dax
     
    Hadrian hatte den Brief wieder gefaltet und dem Jungen zurückgegeben. »Das hätte niemand besser hinbekommen«, hatte er Dax zugeflüstert.
    Nun sah er, dass am Kopfende des Grabes eine kleine Flamme flackerte. Er rührte sich nicht, bis er sicher sein konnte, dass die gesamte Asche von Dax’ Botschaft zu Jonah aufgestiegen war.
    Einige Minuten später hob er den langen Riegel am Höhleneingangmit der Schulter aus der Führung, ließ ihn zu Boden fallen und zerrte ihn beiseite. Dann öffnete er die beiden Türflügel. Der abgewetzte Lehnsessel stand immer noch an der Seite des Eingangs, und gegenüber hing der ausgestopfte Elchkopf. Hadrian setzte sich und wartete.
    Ein Reh tauchte auf und knabberte die Sträucher an, die aus der Böschung ragten. Dann verschwand es

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