Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Freitagabend warten wir auf ihn, und Mam gibt uns Brot und Tee. Die Dunkelheit senkt sich herab, und auf der Classon Avenue gehen die Lichter an. Andere Männer, die Arbeit haben, sind schon zu Hause, und es gibt Eier zum Abendessen, weil man freitags kein Fleisch essen darf. Man hört, wie die Familien ein Stockwerk höher und ein Stockwerk tiefer und auf derselben Etage reden, und im Radio singt Bing Crosby Brother, Can You Spare a Dime?
Malachy und ich spielen mit den Zwillingen. Wir wissen, daß Mam nicht Von deinem Mund wollte ich einen Kuß singen wird. Sie sitzt am Küchentisch und spricht mit sich selbst, was soll ich bloß machen? bis es schon spät ist und Daddy die Treppe heraufwankt und Roddy McCorley singt. Er stößt die Tür auf und ruft nach uns, wo
sind meine Truppen? Wo sind meine vier Krieger? Mam sagt, laß diese Jungs zufrieden. Sie sind halbhungrig ins Bett gegangen, weil du dir den Bauch mit Whiskey füllen mußt.
Er kommt an die Schlafzimmertür. Auf, Jungens, auf. Fünf Cent für jeden, der verspricht, daß er für Irland sterben will. Wir sind zwar vielleicht in Amerika, aber unser Herz ist in Irland.
Nach Kanada, wo man die Baumriesen sägt,
Von einer strahlenden Insel geflohn – Hier ist es zwar schön, doch das Herz, ach, es schlägt
Für Irland trotz Hunger und Fron. Ref 8
Auf, Jungens, auf. Francis, Malachy, Oliver, Eugene. Die Ritter vom Roten Zweig, die wackeren Gälen, die IRA. Sie leben hoch, steht auf, steht auf.
Mam steht am Küchentisch und zittert, das Haar hängt ihr feucht ins Gesicht, das Gesicht ist naß. Kannst du sie nicht zufrieden lassen? sagt sie. Jesus, Maria und Joseph, ist es denn nicht genug, daß du ohne einen Penny in der Tasche nach Hause kommst, mußt du da auch noch die Kinder veralbern? Sie kommt zu uns. Geht zurück ins Bett, sagt sie.
Ich will, daß sie auf sind, sagt er. Ich will, daß sie bereit sind für den Tag, da Irland frei ist von aller Tyrannei.
Wag dich bloß nicht an mir vorbei, sagt sie, denn wenn du dich an mir vorbeiwagst, wird das ein trauriger Tag im Hause deiner Mutter sein.
Er zieht sich die Mütze ins Gesicht und jammert, meine arme Mutter. Armes Irland. Och, was sollen wir bloß tun? Mam sagt, du bist ganz einfach stockverrückt, und wieder sagt sie uns, wir sollen ins Bett gehen.
Am Morgen des vierten Freitags von Dads Arbeit fragt Mam ihn, ob er heute abend mit seinem Lohn nach Hause kommt oder ob er ihn wieder komplett vertrunken haben wird. Er sieht uns an, dann sieht er Mam an und schüttelt den Kopf, als wollte er sagen, och, so spricht man aber nicht in Gegenwart der Kinder.
Mam bleibt an ihm dran. Ich frage dich, kommst du nach Hause, so daß wir ein bißchen zum Abendessen haben, oder wird es Mitternacht ohne Geld in der Tasche und du singst Kevin Barry und die übrigen traurigen Lieder?
Er setzt die Mütze auf, rammt die Hände in die Hosentaschen, seufzt und blickt zur Zimmerdecke. Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich nach Hause komme, sagt er. Später am Tag zieht Mam uns an. Sie stopft die Zwillinge in den Kinderwagen, und wir brechen auf, marschieren durch die langen Straßen von Brooklyn. Manchmal darf Malachy im Kinderwagen sitzen, wenn er nicht mehr neben ihr hertraben will. Zu mir
sagt sie, ich bin zu groß für den Kinderwagen. Ich könnte ihr sagen, daß mir, wenn ich immer mit ihr Schritt halten muß, die Beine weh tun, aber sie singt nicht, und ich weiß, heute ist nicht der Tag, an dem ich über meine Schmerzen sprechen kann.
Wir kommen an ein großes Tor, wo ein Mann in einem Kasten steht, der an allen vier Seiten Fenster hat. Mam spricht mit dem Mann. Sie will wissen, ob sie hinein darf, dahin, wo die Männer bezahlt werden, und vielleicht könnten sie ihr etwas von Dads Lohn geben, damit er ihn nicht in den Kneipen ausgeben kann. Der Mann schüttelt den Kopf. Tut mir leid, Lady, aber wenn wir das machen, stürmt die Hälfte der weiblichen Bevölkerung von Brooklyn den Laden. Viele Männer haben das Alkoholproblem, aber da gibt es nichts nichts nichts, was wir dagegen unternehmen können, solang sie hier nüchtern erscheinen und ihre Arbeit machen.
Wir warten auf der anderen Straßenseite. Ich darf mich auf den Bürgersteig setzen, den Rükken gegen die Mauer gelehnt. Den Zwillingen gibt sie ihre Flaschen mit Zuckerwasser, aber Malachy und ich müssen warten, bis sie von Dad Geld kriegt, damit wir zum Italiener gehen können, um Tee und Brot und Eier zu kaufen.
Als um halb sechs die
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