Die Asklepios Papiere (German Edition)
Norden lebte, haftete ihm sein Spitzname in gewissen Kreisen noch immer an. Er hatte es aufgegeben, dagegen anzukämpfen.
Er blickte auf das Display. Unbekannte Rufnummer .
„ Woher haben Sie diese Nummer?“, entgegnete er barsch.
„ Von Ihnen höchstpersönlich. Ich habe einen neuen Job für Sie. Zu den üblichen Konditionen. Interessiert?“
Chinois erkannte die Stimme des Anrufers. Es handelte sich um Gerald Ginster, den zwielichtigen Sicherheitschef von einem großen Pharmaunternehmen. Hin und wieder erledigte er einen Auftrag für ihn, doch der letzte musste bestimmt schon mehr als drei Jahre zurückliegen. Es musste sich also um eine sehr delikate Angelegenheit handeln. Bislang hatte Ginster ihn immer nur beauftragt, wenn es sich um Probleme handelte, die unkonventionelle Lösungen erforderten.
„Um was geht´s?“
„ Ich habe ihnen eine E-Mail mit allen Einzelheiten geschickt.“
„ Einen Augenblick“, grummelte Chinois. Er stand aus dem Bett auf und ging ins Wohnzimmer, wo sei Laptop auf dem kleinen Couchtisch stand. Er hatte sich angewöhnt, den Rechner Tag und Nacht eingeschaltet zu lassen.
Er öffnete das E-Mail-Programm. Im Postfach lagen mehrere neue Nachrichten. Die Aktuellste war die von Ginster. Er öffnete sie und Überflog den Text. Als Anlage war ein Foto beigefügt, das einen gutaussehenden jungen Mann zeigte.
„Geht in Ordnung“, sagte Chinois schließlich. „Wo finde ich diesen Krueger?“
„ Er ist noch auf dem Gelände von PSU. Als ich anrief, saß er an seinem Schreibtisch. Wenn sie sich beeilen, können sie den Job schnell zu Ende bringen. Und noch etwas: Die Zielperson hat vertrauliche Unterlagen entwendet. Vermutlich will er die Papiere an jemanden übergeben. Sie müssen diese Papiere unter allen Umständen an sich bringen!“
Chinois hörte ein Klicken, als der Anrufer das Gespräch abrupt beendete. Er ging zurück ins Schlafzimmer und zog sich an. Schnell verdientes Geld, das er gut gebrauchen konnte.
2.
P eter Krueger genoss die angenehme Kühle der Nacht. Er schaute auf seine Armbanduhr. 1:50 Uhr. Er hatte noch zehn Minuten bis zu seinem Treffen mit Claude Boné, seinem Bekannten vom Fernsehsender TV5.
Endlich konnte er nach den äußerst turbulenten letzten Stunden etwas verschnaufen. Peter musste sich konzentrieren. In seinem Kopf herrschte das reinste Chaos, sodass er keinen klaren Gedanken mehr zustande brachte. Wie konnte das alles nur passieren? Und wieso ihm? Peter verfluchte seine Entscheidung, nach Paris gekommen zu sein. Er betrachtete den vollen Mond im Widerschein der Seine . Ein kühler Lufthauch strich um seine schweißnasse Stirn. Stille umgab ihn. Die Geräusche der schlafenden Stadt wurden durch die Bäume im Jardin des Tuileries gedämpft.
Die prächtige Gartenanlage wirkte im Zwielicht der Nacht wie ein schwarzes Tuch, unter dem er sich geborgen und sicher fühlte. Peter saß auf einer Holzbank; der Laptop auf seinem Schoß stellte gerade eine Verbindung mit dem Internet her. Er musste unbedingt noch eine Nachricht an Hannah schicken. Sie musste wissen, was hier vor sich ging und in welches Schlamassel er sich manövriert hatte. Wenn sich seine Befürchtungen bestätigten, würde sie die ganze Sache wahrscheinlich sogar alleine zu Ende bringen müssen.
Peter begann die ersten Worte einer E-Mail zu tippen, als ihn ein Geräusch aufschreckte. Er hielt inne und horchte. Waren das Schritte, die er hinter sich vernommen hatte? Ohne zu atmen verharrte er einen Augenblick. Das schwache Licht der hell erleuchteten Pyramiden des Louvre schimmerte herüber. Nichts!
„ Ich glaube, ich drehe so langsam schon durch“, dachte Peter und tippte schnell weiter. Nach wenigen Minuten war die Nachricht an Hannah fertig. Er drückte den Senden-Button und klappte den Laptop in der Hoffnung zu, dass Hannah alles richtig verstehen würde. Um diese Uhrzeit war der Tuileriengarten menschenleer. Vom nahe gelegenen Palace de la Concorde drangen vereinzelt die dumpfen Motorgeräusche vorbeifahrender Autos herüber. Erneut glaubte Peter Schritte hinter sich zu hören. Er drehte sich um, doch wieder war nichts und niemand zu sehen.
Er stand auf und steckte den Laptop in seinen Rucksack. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass er sich allmählich auf den Weg machen sollte. Claude wollte sich am Eingang des Louvre mit ihm treffen.
Während er dem Licht der weltbekannten Pyramiden folgte, hoffte er inständig, dass Hannah seine Nachricht
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