Die Astronauten
zerkleinern. Ich drehte aus Notizbuchblättern kleine Tüten und füllte den Zucker hinein. Keiner von uns sprach ein Wort. Vorsichtig lösten wir mit dem Messer die Kugeln aus den Hülsen und schütteten das Pulver heraus. Dann gingen wir durch den Stollen zur Einbruchsstelle.
Arsenjew bezeichnete fünf Risse zwischen den Gesteinstrümmern, die ich mit der Spitze der Picke erweiterte. Er selbst goß inzwischen den Sauerstoff ein. Zischend und kochend floß die schwach bläulich schimmernde Flüssigkeit in die Tüten, die anfangs weich und biegsam waren und nun spröde, brüchig, dann hart wie Stein wurden. Ohne Handschuhe hätte man sie nicht anfassen können. Selbst durch das dichte, isolierte Gewebe hindurch brannte die furchtbare Kälte wie Feuer an den Fingern.
Die fertigen Ladungen verbanden wir durch den Draht miteinander und schoben sie tief in die Öffnungen hinein. Das eine Ende der Leitung schloß Arsenjew an der Batterie an, das andere legte er griffbereit auf den Boden. Nachdem wir die Sprenglöcher mit Gesteinsbrocken verkeilt und mit Tonschlamm verstopft hatte, preßte sich Arsenjew an die Wand und sagte zu mir: »So mußt du dich hinstellen. Da bist du am besten gegen die Explosionswelle geschützt. Dann berührst du mit dem Draht den Kontakt und läßt dich gleichzeitig mit dem Gesicht zu Boden fallen. Das ist alles.«
Eine Sekunde lang stand er noch regungslos vor mir; plötzlich aber schloß er mich in die Arme, drückte mich mit aller Kraft an sich und ließ mich dann los, als wollte er mich zurückstoßen. Ich wartete, bis seine Schritte hinter der Biegung verhalltwaren. Langsam nahm ich die Batterie auf.
Ein Pol war bereits angeschlossen. Ich preßte mich so flach wie möglich an die Wand des Ganges.
»Achtung!« rief ich. »Jetzt!«
Ein winziger Funke sprang auf den Draht über. Ein glühender Hammer schlug gegen meine Brust, fegte mich vom Boden. Ich stürzte in eine aufbrüllende Feuerwolke ...
Leben gegen Leben
Helles, starkes Licht weckte mich. Dicht über mir brannte eine Jupiterlampe. Ich war auf etwas Kühles, Weiches gebettet. Als ich die Hand schützend vor die Augen halten wollte, vermochte ich sie nicht zu heben. »Sie müssen jetzt ganz ruhig liegen«, hörte ich jemanden sagen.
Allmählich wurde mir etwas klarer im Kopf. Ich schielte zur Seite und sah Tarland im weißen Kittel. Er beugte sich über einen kleinen Wagen mit gläsernen Zylindern und Apparaten, auf denen sich das Licht spiegelte. Meine linke Hand lag auf einem Gummikissen, im Unterarm steckte eine Nadel. Ein Gummischlauch verband sie mit einem Glasrohr, durch das eine hellrote Flüssigkeit strömte. Ich spürte nun auch, wie etwas Warmes, Kribbelndes durch meine Adern pulste.
Was soll das bedeuten, dachte ich verwundert, eine Transfusion? Mir wurde immer wärmer. Alles um mich herum war so sonderbar still und unwirklich. Tarland schob den Apparat beiseite, zog rasch die Nadel aus dem Arm und drückte ein Stück Gaze gegen die kleine Wunde.
»Wer singt denn hier?« fragte ich. Ich hörte eine hohe, sanfte Melodie und fühlte mich sehr wohl dabei. Langsam, träge krochen meine Gedanken dahin. Düstere Bilder zogen an mir vorüber: eine Wanderung durch totenstille, hellerleuchtete Hohlwege, geborstene, kristallene Wände, dunkle Gänge, Galerien ... wo war das alles? In einem Gletscher? Im Himalaja? Oder war es nur ein Traum? Plötzlich tauchte in meinem Gedächtnis die letzte Spur des noch bewußt Erlebten auf: die Grotte – finstere Felstrümmer, dumpfe, tiefe Stille und zwei Drähte, über die ich mich beugte, um ...
Ich schloß die Augen. Als ich sie wieder öffnete, fiel mein Blick auf den Schirm des Fernsehgerätes an der gegenüberliegenden Wand. Auf dem schwarzen Hintergrund blinkten viele helle Pünktchen. Sterne?
Der Gesang war also die Stimme der Motoren. Wir flogen. Zwei Leute traten in die Kabine, Rainer und Arsenjew.
»Wie fühlst du dich?« fragte der Astronom.
»Gut.«
Ich weiß nicht, wie ich darauf kam; jedenfalls war die ersteFrage, die ich an die beiden richtete: »Wieso hat eigentlich die Stadt geleuchtet? War das Luzit?«
Die Gefährten warfen sich einen Blick zu.
»Nein, dieses Bariumsoda-Email hat nichts mit Luzit zu tun. Es leuchtet deshalb, weil es bei der Explosion einer starken Strahlung ausgesetzt war«, antwortete Rainer, offensichtlich sehr zufrieden, daß er mir einen so genauen Bescheid geben konnte.
»Eine Explosion? Ach richtig ... der Krater«, sagte ich. »Hört mal
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