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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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...«
    Tarland unterbrach mich. »Sie dürfen aber jetzt nicht sprechen. Wir haben so viel Zeit; da werden Sie schon noch alles erfahren.«
    Er bat die beiden Wissenschaftler, die Kabine zu verlassen. Ich hörte, wie er an der Tür etwas von Gehirnerschütterung sagte und daß ich keine Aufregungen haben dürfe.
    »Ich möchte aber wissen, wie es weitergegangen ist«, protestierte ich schwach, als er zurückkam. »Hat sich der Durchgang geöffnet?« Tarland fühlte mir den Puls.
    »Professor Arsenjew hat Sie aus der Unterwelt wieder ans Licht gebracht, und ich – habe Sie neu erschaffen.« Er lächelte. Ich wollte noch etwas fragen; aber auf einmal war alles vor meinen Augen verschwommen, in weiter Ferne zerflossen. Ich sah blauen Himmel über mir ... Vögel sangen ... und dann schlief ich ein. Nach einiger Zeit erst erfuhr ich aus Gesprächen, die der wachsame Tarland immer wieder unterbrach, wie Arsenjew mich aus dem Gang heraufgetragen hatte, wie er sich bemühte, die Risse in meinem Skaphander abzudichten, wie es ihm einen Augenblick lang schien, als läge ich in Todeszuckungen, und wie dann der durch Raketensignale herbeigerufene Krankenwagen gerade noch rechtzeitig kam, um uns zur Rakete zurückzubringen.
    Bewußtlos, vergiftet von der fremden Atmosphäre, mit gebrochenen Rippen, hatten sie mich auf den Operationstisch gelegt. Dreißig Stunden vergingen, ehe ich die Augen zum erstenmal aufschlug. Dann aber machte meine Gesundung rasche Fortschritte. Ich schlief fast den ganzen Tag über und wachte zur Essenszeit mit einem wahren Wolfshunger auf. Als ich aufstehen konnte, empfahl mir Tarland Höhensonne und das Einatmen künstlicher Gebirgsluft.
    Es war mir noch immer nicht gestattet, die Gefährten nach der toten Stadt und den Bewohnern der Venus zu fragen. Tarland begründete sein Verbot damit, daß ich nach meiner Gehirnerschütterung vor jeder Aufregung bewahrt werden müsse. Vergeblich erklärte ich ihm, daß unbefriedigte Neugier eine sehr starke Aufregung verursache. Darauf riet er mir, mich in der Zentrale vor den großen Leuchtschirmen aufzuhalten, da es für einen Genesenden nichts Beruhigenderes als den Anblick des gestirnten Himmels geben könne. Nach meinem Unfall hatte der »Kosmokrator« noch sechs Tage über dem Planeten gekreuzt, hatte sich dann in einer spiralförmigen Bahn entfernt und den Rückflug angetreten.
    Das Betrachten der Sterne beruhigte mich natürlich nicht, ich wollte endlich etwas über die Forschungsergebnisse wissen. Ich quälte Tarland so lange, bis ich ihn am dritten Tage unseres Rückfluges, als er mir die Fäden zog, umzustimmen vermochte.
    Die Wissenschaftler arbeiteten in der Kabine des Marax. Eine Zeitlang ging ich im Korridor auf und ab. An diesem Tage waren die Motoren ausgeschaltet worden, und der »Kosmokrator« flog nun infolge der Anziehungskraft der Sonne weiter. Die Stille, die in der Rakete herrschte, schien aus der Ewigkeit zu kommen. Als ich in die dunkle Kabine trat, standen die Gefährten am Schaltpult. Die Gestalten im Raum zeichneten sich als schwärzliche Schatten von den grünlichschimmernden Leuchtschirmen ab. Eintönig summten die Elektromotoren. Aus der Tiefe des Marax wanden sich Drahtbündel hervor und liefen über gerillte Platten zu Elektromagneten, wo sie sich aufspulten. Chandrasekar warf einen der Hebel herum. Das Ende des letzten Drahtes krümmte sich eine Weile wie ein metallener Wurm auf der Pultplatte, zappelte dann in der Luft und verschwand in der Aufspulvorrichtung. Die Leuchtschirme überzogen sich mit einem grauen Schleier, in dem nun das dichte Gedränge und Durcheinander grüner Hieroglyphen erstarrte und verblaßte. Die kreisförmige Röhre der Deckenbeleuchtung erhellte sich wieder.
    Arsenjew ging in der Kabine auf und ab, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, blieb stehen und sah mir in die Augen.
    »Willst du es wissen?« Ich nickte.
    »Es ist nicht leicht, aus erhalten gebliebenen Fragmenten die Geschichte einer fremden Welt zu rekonstruieren ..., besonders dann, wenn es eine Geschichte der Vernichtung, des Unterganges ist ...«
    Der letzte Lichtschimmer auf den Leuchtschirmen erlosch. Grau und tot blickten sie von der Wand.
    »Die Chroniken, die wir besitzen, umfassen in Bruchstücken einen Zeitraum von annähernd einhundertachtzig Jahren. Der erste Abschnitt, den wir entziffern konnten, enthält den Plan einer Invasion auf die Erde. Anfangs vermutete ich, daß die Beherrschung der Erde für die Venusbewohner die

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