Die Astronauten
Erfüllung eines mythisch-religiösen Gebotes gewesen sei. Die Darstellung der beiden durchgestrichenen Kreise, auf die wir in den Ruinen stießen, hielt ich für ein entsprechendes Symbol. Die Chroniken enthüllten jedoch ein Bild, das von dieser Hypothese abweicht: Den Planeten bewohnte eine kühl berechnende Gattung von Lebewesen. Schon hundertfünfzig Jahre bevor sie an die Verwirklichung ihres Planes gingen, erwogen sie, ob sie die Menschen nicht in irgendeiner Form für ihre Zwecke gebrauchen könnten. Sie kamen zu der Meinung, daß wir keinen Wert für sie besäßen und daher beseitigt werden müßten. Da sie aber unsere Städte, Straßen und Fabriken nicht beschädigen wollten, um sie später selbst benutzen zu können, beschlossen sie, eine radioaktive Wolke gegen die Erde zu schleudern. Nach dem Absinken der Ionisierung hätte dann die weiße Kugel ihre Tätigkeit aufgenommen und Tausende von Weltraumschiffen auf die nun tote Erde geschickt. Sie wollten das Leben vernichten und das Leblose erhalten. Obwohl sie dabei alle erdenklichen Größen in Rechnung stellten, vergaßen sie eine einzubeziehen: sich selbst. Als dann die riesigen Strahlenwerfer und die weiße Kugel vor ihrer Vollendung standen, begannen die Venusbewohner gegeneinander Krieg zu führen. Es gelang ihnen, das gesteckte Ziel zu erreichen, aber – auf ihrem eigenen Planeten!«
Die Kabinenwand mit ihren Schalttafeln und Geräten verschwamm vor meinen Augen. Ich sah nur noch Arsenjews Gesicht als weißen Fleck vor einem dunklen Hintergrund. Ruhig fuhr er fort: »Ihr Verhältnis zu den Maschinen ist uns unklar. Es kann sein, daß die Maschinen die höchste Staatsmacht verkörperten. Auf jeden Fall waren sie es, die den genauenPlan des Angriffes gegen die Erde ausarbeiteten. Sie schufen auch die Kriegspläne und schickten die Bewohner ihres Planeten in den Tod.«
»Und um was kämpften sie?«
Arsenjew nahm ein Bündel Drähte von der Platte und wog es in der Hand.
»Das ist nicht klar zu erkennen. Vielleicht um das Recht der Ansiedlung auf der Erde. Die Bewohner der Venus besaßen eine hochentwickelte Kultur; aber all die vorzüglichen Konstrukteure und Baumeister unter ihnen hatten sich und ihr ungeheures Können in den Dienst der Vernichtung gestellt. Eine solche Gemeinschaft von Lebewesen mußte sich früher oder später gegen sich selbst kehren. Denk an gewisse Analogien unserer eigenen Geschichte. Der Krieg auf der Venus dauerte viele Jahre. Einige seiner Phasen sind uns vollkommen unverständlich, ganz abgesehen von den großen zeitlichen Lücken in den Chroniken der Archivhöhle. Verborgen unter der Oberfläche des Planeten, beschossen sie einander mit verdichteten Energieladungen, überschütteten sich gegenseitig mit Wolken giftigen Staubes, riefen künstliche Bodenverschiebungen und tektonische Beben hervor. Sie verbrauchten und verschwendeten in diesen Kämpfen Energiemengen, die genügt hätten, um ihren Planeten in einen blühenden Garten zu verwandeln.
Unter den Bewohnern der Venus sonderte sich eine Gruppe von Wesen höchster Intelligenz ab. Ihr Ziel war es, denkfähige Maschinen zu schaffen und sich ihrer zu bedienen. Diese Wesen blieben eine gewisse Zeitlang scheinbar neutral; denn sie dienten beiden kämpfenden Parteien zugleich. Unter anderem lieferten sie ihnen auch die Pläne zur gegenseitigen Vernichtung.«
»Das ist doch widersinnig.«
»Und trotzdem war es so. Je länger der Krieg dauerte, desto tiefer sank das Niveau der Zivilisation. In diesem Prozeß gab es, bedingt durch vorübergehende friedliche Perioden, zeitweilige Rückkehr zu früherer Blüte. Danach wurden aber die Kämpfe stets um so erbitterter fortgesetzt. Die großen energetischen Zentralen wechselten mehrmals ihre Herren. Es kam vor, daß die Kraftanlagen stillstanden, da den Siegern das erforderliche technische Wissen fehlte, um sie wieder in Gangzu bringen. In diesen Zeiten bemühten sich wahrscheinlich die ›neutralen‹ Venusbewohner, die Schöpfungen der Zivilisation, die Chroniken und Dokumente vor der Vernichtung zu bewahren und legten zu diesem Zwecke in Wüsten, inmitten von Bergen Schutzräume an. Auf die Ruine eines solchen Raumes stießen wir während unserer Expedition zur weißen Kugel.
Allmählich begann eine der feindlichen Parteien die Oberhand zu gewinnen. Sie war ihres Sieges bereits so sicher, daß sie die Rakete auf die Erde sandte, die im Jahre 1908 über der Taiga niederging. Hier bricht die Chronik ab. Den weiteren Verlauf
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