Die Attentäterin
herum, Leuchten und Lampen, teure Kristallgläser. Warum sie die Kugeln nicht einfach in Ohara pumpt und die Sache beendet, weiß sie nicht genau. Sie befindet sich in einem seltsamen Widerstreit mit sich selbst. Ein Teil von ihr will, daß Ohara äußerstes Entsetzen erlebt. Ein anderer Teil will ihn ausradieren, will seinen Tod und ihre Rache. Wieder ein anderer Teil drängt sie, seinen Tod persönlicher zu gestalten, sich zu verwandeln, ihre vierbeinige Gestalt anzunehmen und diesen Mann zur Beute zu nehmen, ihn erst zu zerfetzen und dann zu verschlingen. Und schließlich sagt ihr eine innere Stimme mit unnachgiebiger Hartnäckigkeit, daß sie diesen Mann töten muß, um Ramans Freilassung zu erwirken.
Und doch widersteht sie allem. Sie haßt die Vorstellung, Adama zu geben, was er will, ihm nachzugeben, die Sklavin seiner Wünsche zu sein. Sie verabscheut den Gedanken, jemand anderem zu dienen. Fast würde sie Ohara lieber entkommen lassen, als mit einem Magier zu kooperieren, der sie offenbar mit Magie manipuliert hat. Sie haßt es, benutzt zu werden. Sie fühlt sich dadurch wie hilflose Beute, wie eine schwache, bedeutungslose kleine Kreatur, die beim ersten Anblick eines Jägers fliehen muß.
Solch ein Gefühl macht sie krank, krank vor Abscheu und rasend vor Wut.
Ohara kracht durch eine Transparex-Schiebetür und stolpert auf einen Balkon, dann dreht er sich um und kracht gegen die stoßfesten Scheiben, mit denen die Außenseite des Balkons gesichert ist. Tikki folgt ihm bis zur Schiebetür. Die Kang dröhnt. Die transparente Scheibe in Oharas Rücken zerspringt in einem Splitterregen. Ohara schnieft und kreischt und fängt plötzlich auf eine hysterische, wahnsinnige Art und Weise an zu lachen.
»ICH WEISS, WER DU BIST!« schreit er, um dann innezuhalten und zu lachen, zu lachen wie ein Wahnsinniger. »Du bist ein Ungeheuer... ja!« Er lacht wild, unbeherrscht. »Du bist das Ungeheuer! Das Ungeheuer! Du machst mir keine Angst! Du bist gar nicht hier! DU BIST NICHT WIRKLICH!«
Tikki zögert, hebt die Kang, so daß sie direkt auf Oharas Gesicht zeigt. In einem gewissen Sinn, wird ihr klar, hat Ohara recht. Sie ist nicht hier. Nim, da sie mit der Unvermeidlichkeit eines weiteren Todes konfrontiert wird, erinnert sie sich an etwas, an einen früheren Mord, den sie für Ohara begangen hat. Die Erinnerung ist ganz deutlich. Sie schwirrt schon seit Tagen dicht unter der Oberfläche ihres Bewußtseins herum. Sie war auf der Hintertreppe eines Wohnsilos im Ardmore-Komplex. Eine Tür öffnete sich, und ein junger Mann kam auf die Treppe, und sie hat ihn getötet, weil er einen Alarm hätte auslösen können, der sie vielleicht daran gehindert hätte, zu ihrem Ziel zu gelangen. Der Vorfall kommt ihr jetzt unglaublich vor. Sie hat ein Kind getötet, ein unschuldiges Kind. Diese Erkenntnis schmerzt.
Sie hätte den Jungen einfach niederschlagen können.
Diese verdammte Magie hat sie völlig verdreht. Sie hat wahnsinnige Dinge getan, sinnlose Dinge! Hier inmitten einer Stadt hat sie sich aufgeführt wie ein Wesen der Wildnis...
Das alles ist viel zu kompliziert.
Während sie Ohara schniefen und kreischen und lachen sieht, flüstert ihr eine innere Stimme zu, daß es dieses winzige Nichts von einem Menschen nicht wert ist, zur Beute genommen zu werden, daß es irgendwie keine Beute ist, sondern eher eine Wanze. Die Vorstellung, sich überhaupt die Mühe zu machen, es zu töten, ist praktisch eine Beleidigung.
Einer Eingebung folgend, dreht sie die JAMA-5 nach vorne, zielt und schießt einmal. Die Waffe hustet. Ohara scheint den kleinen Pfeil gar nicht zu bemerken, der plötzlich in seinem Bauch steckt. Einen Augenblick später verstummt er und erschlafft. Tikki weiß nicht, was sie tun wird, wenn er nach vorne fällt, aber wie der Zufall es will, braucht sie sich deswegen keine Gedanken zu machen.
Vielleicht entscheidet das Schicksal.
Ohara torkelt rückwärts, durch das Loch in der transparenten Außenwand des Balkons, und stürzt hinaus in die Nacht.
Es sind sieben Stockwerke bis zum Boden.
Tikki zögert einen Augenblick, betrachtet das Loch in der Balkonwand, und wendet sich dann zum gehen. Fast ist es ihr egal, ob Ohara bei dem Sturz ums Leben kommt oder durch irgendein Wunder am Leben bleibt. Zu viele andere Dinge bedrücken und beschäftigen sie, Fragen, die ihre gesamte Existenz beinhalten. Sie weiß nicht, für wen sie tötet, warum sie überhaupt tötet und ob sie das Recht dazu hat.
Sie muß
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