Die Attentäterin
speziell verschlüsselten Protokollschranke vorbeibringt.
Der Telekomschirm verfärbt sich kohlschwarz. Ein Mann antwortet auf japanisch. Tikkis Japanisch ist nicht so toll, aber sie kommt zurecht.
»Wer spricht?« fragt der Mann.
»Dreimal darfst du raten«, murmelt Tikki.
Ihre Antwort reicht für eine Stimmenanalyse, die sie auch die letzte Schranke überwinden läßt. Wieder das Freizeichen. Tikki tippt die letzte Nummer ein. Eine neue Stimme meldet sich, ebenfalls männlich. Es ist eine computersynthetisierte Simulation der Stimme ihres Schiebers in Chiba. Der Name ihres Agenten lautet aus dem Japanischen übersetzt Black Mist, Schwarzer Nebel. Er stellt weltweit Verbindungen für sie her und leistet noch andere Dienste, natürlich alles gegen Bezahlung.
»Ja?«
»Liegt irgendwas vor?« fragt Tikki.
Einen Augenblick Pause, dann: »Mehrere Anfragen.«
Die Formulierung ist von entscheidender Bedeutung. Eine nähere Beschreibung, zum Beispiel ›mehrere interessante Anfragen‹, würde bedeuten, daß es Ärger gibt. Die tatsächlich benutzte Formulierung bedeutet ganz einfach nur, daß zwei oder mehr Anfragen hinsichtlich Tikkis Dienste eingegangen sind. Sie ist nicht interessiert, jedenfalls nicht im Moment. Sie hat eine gute Verbindung hier in Philly geknüpft und die Absicht, sie sich zunutze zu machen.
»Was noch?«
»Nichts.«
Das ist das Ende des Anrufs. Tikki legt auf. Ihr Kredstab wird um einen entsprechenden Betrag gekürzt und ausgeworfen. Sie wollte mit diesem Anruf lediglich herausfinden, was Black Mist ihr vielleicht über die Hauptsache verraten kann, die er für sie überprüft. Seine Informationen haben sie hierher nach Philly geführt. Sie muß mehr wissen, kann im Augenblick aber nichts anderes tun, als zu warten.
Irgendwo in der Stadt ist ein Mann, den sie mit extremer Bosheit töten wird, sobald er auftaucht.
Die Angelegenheit ist mehr als nur persönlich.
Sie ist eine Tatsache, die darauf wartet, daß sie geschieht.
6
Die Nacht draußen vor dem Transit-Center ist eine blitzende, flackernde, flammende, phosphoreszie-
rende Multi-Chrom-Halogen-Neon-Phantasie. Luftbojen mit riesigen Trideoschirmen schweben am Himmel. Werbestände mit hallenden Lautsprechern säumen die Bürgersteige. Lohnsklaven hasten in alle Richtungen. Ein wogender Ozean aus Automobilen, Taxis und Bussen summt, faucht und dröhnt. Rettungswagen mit blinkenden Blaulichtern und jaulenden Sirenen verstärken den Eindruck eines hektischen Pandämoniums und verleihen der Szenerie einen Anflug von Massenhysterie.
Am Bordstein wartet eine ununterbrochene Reihe von Limousinen, hauptsächlich Toyota Elites. Die Limousine, nach der Tikki Ausschau hält, ist ein Mitsu bishi Nightsky, schlank und schwarz und funkelnd wie Regenwasser auf Autowachs. Als sie sich dem Wagen nähert, schwingt die riesige Tür zum Fond auf. Sie bückt sich langsam und steigt gleich ein. Hinter ihr schlägt die Tür zu.
Die Umweltversiegelung schließt sich mit leisem Zischen.
Der Fond ist geräumig und üppig ausgestattet. Feudale Kunstledersitze, Kompaktsofas ähnlich, stehen einander gegenüber, getrennt durch eine komplett eingerichtete Mittelkonsole mit Trideo, Telekom und gekühlter Bar. Im Trid läuft ›Suerte y Muerte‹, die Gladiatorenspielshow, die Aztlan ausstrahlt. Auf der Bar steht ein frisch eingeschenktes Glas Suntory-Bier. Neben der Bar liegt eine Packung schlanker Sumatra- Zigarillos. Tikki nimmt den nach hinten schauenden Sitz und wirft einen Blick auf das Trid, das Bier und die Zigaretten, dann auf den Mann, der ihr gegenüber sitzt.
»Ist alles in Ordnung?« fragt er.
Tikki nickt.
Der Mann heißt Adama Ho. Zumindest behauptet er das. Er sieht aus wie ein Anglo, was nichts beweist. Er hat kurzes, schütter werdendes Haar, tiefliegende Augen und einen ordentlich gestutzten schwarzen Bart, der Kinn und Oberlippe bedeckt, die Wangen jedoch größtenteils freiläßt. In seinem mittemachtsschwarzen Anzug, dem Seidenhemd und der Seidenkrawatte sieht er städtisch und elegant aus.
Tikki betrachtet nichts als selbstverständlich. Ein paar der gefährlichsten Männer, denen sie begegnet ist, waren sowohl freundlich als auch höflich, selbst wenn sie es mit den bösartigsten Straßenpunks zu tun hatten.
Das Anglo-Aussehen ist reine Täuschung, dessen ist sie ganz sicher, wahrscheinlich das Ergebnis verschiedener Bodyshop-Besuche. Das einzige Indiz für diese Vermutung ist ihr Instinkt, aber da ist noch sein fließendes
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