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Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1

Titel: Die Augen der Toten 01 - Die Augen der Toten Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Lütke-Bohmert
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Erfahrungen -, aber das ist nicht der Punkt, um den es hier geht.“
    „Sondern?“
    „Frau Rupp“, wandte sich Lohoff an die rothaarige Studentin. „Wären Sie so freundlich, Herrn Rensing Kants kategorischen Imperativ zu entschleiern?“
    „Nach Kant darf ich meine Entscheidung, eine Handlung zu begehen oder zu unterlassen, nicht von den Folgen abhängig machen“, plapperte die Angesprochene prompt los. „Die Handlung an sich muss moralisch vertretbar sein. Ich stehle nicht, weil ich nicht will, dass man mich bestiehlt. Ich lüge nicht, weil ich nicht will, dass man mich belügt. Kant behauptet: Wenn alle Menschen ihre Handlungen auf eine potenzielle Gesetzmäßigkeit überprüfen, wenn alle Menschen sich fragen: ‚Kann ich wollen, dass die Maxime meines Handelns zu einem allgemeingültigen Gesetz erhoben wird?‘ – dann, und nur dann, handeln sie moralisch.“
    „Wohlgemerkt, Herr Rensing“, ergänzte Lohoff, „wir reden hier nicht von politischen Gesetzen. Wir sprechen von einer Selbstgesetzgebung der praktischen Vernunft. Jede Handlung ist das Resultat einer freien Willensentscheidung.“
    „Kant war ein Idiot.“ Rensing genoss das entsetzte Gemurmel im Raum. „Wenn Lügen dem Grunde nach moralisch falsch wäre, dürfte ich selbst dann nicht die Unwahrheit sagen, wenn ich einen Menschen vor Schaden bewahren könnte. Das ist Blödsinn.“
    „Nein, Herr Rensing, das ist Idealismus“, sagte Lohoff lächelnd. „Dieser Mensch, den Sie durch eine Lüge vor Schaden bewahren wollen, ist nur deswegen in seine missliche Lage geraten, weil er selbst oder eine dritte Person eine moralisch falsche Handlung begangen hat. Ein Beispiel: Ein Kollege, mit dem Sie auch privat befreundet sind, hat Bestechungsgelder angenommen, und Sie werden in dieser Angelegenheit befragt. Durch eine Lüge könnten Sie Ihren Kollegen vor einer Verurteilung bewahren, ja. Aber wie sind Sie denn in die Situation, die eine Notlüge erforderlich macht, geraten? Verstehen Sie, was ich sagen will, Herr Rensing? Kant hat für sich nie den Anspruch auf letzte Wahrheit erhoben. Er hat lediglich aufgezeigt, dass eine Welt, in der jeder Mensch seine Handlungen dem kategorischen Imperativ unterwirft, eine gute Welt wäre. Es gibt genügend andere ethische Konzeptionen, die alternative Wege eingeschlagen haben. Und die werden wir uns in der nächsten Woche vornehmen“, sagte er an die Studenten gewandt. „Schluss für heute.“
     
    Wenig später hatten Rensing und Lohoff den Seminarraum verlassen und schlenderten Richtung Treppenhaus.
    „Ich würde Sie ja gerne noch auf einen Kaffee in mein Büro bitten, aber leider habe ich gleich noch einen wichtigen Termin“, sagte Lohoff. „Was kann ich denn für Sie tun, Herr Rensing? Sind Sie gekommen, um meine Studenten zu befragen und sich ein Bild von meiner Arbeit zu machen?“
    „Wenn ich tatsächlich Ihre Studenten befragen würde, bekäme ich wohl ausschließlich Loblieder zu hören.“
    „Dann kann ich in meinem Beruf so schlecht ja nicht sein.“
    „Wie man es nimmt. Von einem Mann mit Ihren Qualifikationen sollte man erwarten können, philosophische Anspielungen zu erkennen.“
    „Franks Videobotschaft. Kompliment, Herr Rensing. Haben Sie es von selbst entdeckt?“
    Rensing überging die Frage. „Leibniz, Hobbes, Nietzsche“, zählte er auf. „Warum haben Sie nicht auf die Zitate hingewiesen?“
    „Sie haben David Hume vergessen“, sagte Lohoff. „Der Passus über die Eigenschaften Gottes ist dessen Enquiry concerning Human Understanding, der Untersuchung über den menschlichen Verstand, entnommen. Hume erteilt in diesem Werk allen Versuchen, die Existenz Gottes durch Analogien zu beweisen, eine deutliche Absage. Und wenn mich nicht alles täuscht, stammen Franks Schlusssätze im Video aus der Bibel. Jesu letzte Worte am Kreuz. Worauf wollen Sie hinaus, Herr Rensing?“
    „Ein Selbstmörder, der eine Botschaft zurücklässt, verfolgt eine bestimmte Absicht. Mir ist nicht klar, was Frank Laurenz mit den philosophischen Zitaten bezwecken wollte. Das ist alles.“
    Lohoff blieb stehen und fixierte Rensing mit wachen Augen. „Nur, damit wir uns von Anfang an richtig verstehen: Die Ermittlungen sind abgeschlossen. Sie sitzen aus eigenem Antrieb hier, weil Sie Zweifel hegen. Liege ich mit dieser Auffassung richtig?“
    Rensing schwieg.
    „Mithin haben Sie keinerlei Legitimation, mich in dieser Sache zu verhören. Warum sollte ich unter diesen Umständen kooperieren?“
    „Weil

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