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Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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suchte. So spazierten die beiden Männer durch die Straßen des alten Erze Damath, vorbei an kleinen, verputzten Häusern, dann durch eine völlig leere Gegend, wo die Straßen ein unbenutztes Schachbrett bildeten, und schließlich in den bewohnten Stadtteil mit feinen Herrenhäusern inmitten gepflegter Gärten. Die Menschen hier sahen nicht schlecht aus, waren jedoch etwas dunkler als die von Almery. Die Männer trugen ausschließlich Schwarz: enge Beinkleider und Wämser mit schwarzen Quasten. Die Frauen dagegen liebten Farbenpracht. Ihre Gewänder waren gelb, orange und rot in allen Schattierungen, und ihre Schuhe waren mit orangefarbenen und schwarzen Ziermünzen geschmückt. Blau- und Grüntöne waren selten, da man glaubte, sie brächten Unglück, und Purpur gar den Tod.
    Im Haar der Frauen wippten Federbüsche, während die Männer verwegen sitzende schwarze Scheiben auf dem Kopf trugen, durch deren Mittelöffnung ein Teil des Hinterkopfs spitzte. Offenbar schien ein bestimmter Balsam hier in großer Mode zu sein, denn alle strömten einen starken Duft nach Aloen, Myrrhen und Carcynth aus. Im großen und ganzen schienen die Bewohner von Erze Damath von nicht weniger vornehmer Lebensart zu sein als jene von Kauchique, und zweifellos waren sie lebhafter als die stumpfsinnigen Bürger von Azenomei.
    Endlich lag die Herberge zum Altdastrischen Reich vor ihnen und gar nicht weit vom Schwarzen Obelisken. Zur großen Enttäuschung von Cugel und Voynod war sie jedoch völlig belegt, und der Wirt verweigerte ihnen den Zutritt. »Die Läuterungsfeierlichkeiten führten Gläubige von überall her in die Stadt«, erklärte er. »Ihr müßt sehr viel Glück haben, überhaupt irgendwo unterzukommen.«
    Damit hatte er bedauerlicherweise recht. Von Herberge zu Herberge zogen Cugel und Voynod, aber überall wurden sie abgewiesen. Am Westrand der Stadt, unmittelbar an der Silberwüste, fanden sie endlich ein wenn auch nicht sehr vertrauenerweckend aussehendes Gasthaus, das sich »Zur grünen Lampe« nannte.
    »Hättet Ihr zehn Minuten eher angefragt, wäre kein Platz gewesen«, erklärte ihnen der Wirt. »Aber die Schergen verhafteten zwei Gäste, die sie als Diebe und unverbesserliche Schurken erkannten.«
    »Ich hoffe doch, eure anderen Gäste sind nicht ähnlicher Art.« Cugel blickte den Wirt scharf an.
    Der Mann zuckte die Schulter. »Wie sollte ich das wissen? Mein Geschäft ist es, für Essen, Trinken und Unterkunft zu sorgen, weiter nichts. Gesetzesbrecher und Raufbolde müssen genauso essen, trinken und schlafen wie Weise, Diener und andere. Im Lauf der Zeit beherbergte ich Gäste aller Art, und was weiß ich denn schon von Euch beiden?«
    Die Nacht war nah, und so lehnten Cugel und Voynod die Unterkunft in der Grünen Lampe nicht ab. Nachdem sie sich vom Reisestaub gesäubert hatten, begaben sie sich in die Gaststube zum Abendmahl. Die Stube war von beachtlicher Größe, mit altersschwarzen Deckenbalken, dunkelbraunen Bodenfliesen und mehreren wuchtigen Stützsäulen aus narbigem Holz, an denen Lampen hingen. Wie die Worte des Wirtes hatten schließen lassen, schienen die Gäste aus allen möglichen, hauptsächlich unteren Gesellschaftsschichten zu stammen und tatsächlich von überall her gekommen zu sein, zumindest deuteten die unterschiedlichsten Gewandungen und Hautfarben darauf hin. An einem Tisch saßen Wüstensöhne, die in ihren Lederkitteln schmal und geschmeidig wie Schlangen wirkten; an einem anderen vier Männer mit kalkweißen Gesichtern und seidigen roten Haarknoten, und offenbar ungemein wortkarg, denn Cugel hörte sie nicht ein Wort äußern. Eine lange Bank an der hinteren Wand war mit verwegen aussehenden Burschen in braunen Beinkleidern, schwarzen Umhängen und Lederkappen besetzt, und jedem baumelte ein kugelförmiger Edelstein an einem Goldkettchen vom Ohr.
    Das Essen war köstlich und ließ Cugel vergessen, wie unfreundlich es vorgesetzt worden war. Nachdem sie es genossen hatten, tranken er und Voynod Wein und überlegten, wie sie den Rest des Abends verbringen sollten. Voynod beschloß, Schreie frommer Leidenschaftlichkeit für das Läuterungsritual zu üben, woraufhin Cugel ihn bat, ihm das Liebesamulett zu leihen. »Die Frauen von Erze Damath sehen nicht schlecht aus«, meinte er, »und mit Hilfe des Amuletts werde ich meine Kenntnisse ihrer Fähigkeiten erweitern können.«
    »Keinesfalls!« weigerte sich Voynod und drückte seinen Beutel fest an sich. »Meine Gründe bedürfen wohl keiner

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