Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen der Überwelt

Die Augen der Überwelt

Titel: Die Augen der Überwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
noch so etwas wie der alte Kameradschaftsgeist auf. Vitz, der Bauchredner, verblüffte mit seinen Stimmkünsten, und Cugel führte einen Hüpftanz vor, bei dem die Knie ganz hochgestoßen wurden – ein Tanz, wie er bei den Hummerfischern von Kauchique üblich war, unter denen er seine Jugend verbracht hatte. Voynod zeigte ein paar seiner einfacheren Zauberkunststücke und hielt plötzlich einen kleinen Silberring hoch. Er winkte Haxt herbei. »Nehmt den Ring, streicht einmal mit der Zunge darüber, drückt ihn danach auf die Stirn und blickt schließlich hindurch.«
    »Ich sehe einen Zug!« rief Haxt erstaunt. »Hunderte, ja Tausende von Männern und Frauen marschieren vorbei. Meine Mutter und mein Vater führen ihn an, mit meinen vier Großeltern dicht hinter ihnen – aber wer sind die andern?«
    »Eure Vorfahren«, erklärte ihm Voynod. »Jeder im Gewand seiner Zeit, zurück bis zum Urmenschen, von dem wir alle abstammen.« Er ließ sich den Ring zurückgeben, dann kramte er in seinem Gürtelbeutel und brachte einen Edelstein von stumpfem Blaugrün zum Vorschein.
    »Paßt alle auf, wie ich diesen Stein in den Scamander werfe!« Er ließ seinen Worten die Tat folgen, und der Edelstein verschwand mit einem leichten Platschen im dunklen Wasser. »Nun brauche ich bloß die Hand auszustrecken, und das Zauberjuwel kehrt zurück!« Und wahrhaftig, die Pilger sahen staunenden Auges etwas Naßglänzendes vor dem Feuer, und schon ruhte der Stein in Voynods Hand. »Mit diesem Juwel braucht man nie Armut zu befürchten. Gewiß, es ist an sich nicht viel wert, aber es läßt sich immer wieder verkaufen ...
    Was soll ich euch sonst noch zeigen? Dieses kleine Amulett vielleicht? Es ist ein erotisches Hilfsmittel und kann leidenschaftliche Gefühle in der Person erwecken, auf die es gerichtet ist. Man muß nur sehr vorsichtig bei seiner Anwendung sein. Und hier ist noch etwas Ähnliches: Es hat die Form eines Widderkopfes. Es wurde genau nach den Anweisungen Kaiser Dalmasmius' des Sanften hergestellt, damit er die Gefühle keiner seiner zehntausend Konkubinen verletze ...
    Hm, was könnte Euch noch interessieren? Ah ja, hier mein Stab, der jeden Gegenstand an einen x-beliebigen anderen heften kann. Ich bewahre ihn vorsichtshalber immer in seiner Hülle auf, damit ich nur ja nicht versehentlich Beinkleid mit Gesäß oder Fingerspitzen mit dem Beutel zusammenfüge. Er ist jedenfalls von beachtlichem Nutzen. Was sonst? Laßt mich überlegen ... Ah, hier! Ein Horn von einzigartiger Eigenschaft. In den Mund eines Leichnams geschoben, regt es ihn zur Äußerung von zwanzig letzten Worten an. In ein Ohr des Toten gesteckt, gestattet es die Übertragung von Geheimnissen in das leblose Gehirn ... Was ist das? Oh, ich sehe ... ein niedliches Spielzeug, das schon viel Freude bereitet hat!« Voynod wies eine Puppe vor, die ein Heldengedicht aufsagte, ein frivoles Liedchen sang und sich schlagfertig mit Cugel unterhielt, der unmittelbar vor Voynod kauerte und sich nichts entgehen ließ.
    Schließlich war der Zauberer der Meinung, genug gezeigt zu haben, und die Pilger streckten sich einer nach dem andern zum Schlafen aus.
    Mit den Händen im Nacken verschränkt lag Cugel wach, blickte zu den Sternen hoch und dachte über Voynods unerwartet große Auswahl an magischen Hilfs- und Unterhaltungsmitteln nach.
    Als er glaubte, sicher sein zu können, daß alle schliefen, stand er auf und beugte sich über den schlummernden Voynod. Seinen Beutel hatte er fest verschnürt unter den Arm geklemmt, genau wie Cugel vermutet hatte. So schlich Cugel zu der Kiste mit den Vorräten, wo er sich etwas Fett aneignete, das er mit Mehl zu einer weißen Salbe verrührte. Aus einem Stück Pappe fertigte er sich ein Schächtelchen an, in das er die Paste füllte. Damit kehrte er zu seinem Nachtlager zurück.
    Am Morgen richtete er es so ein, daß Voynod sehen mußte, wie er seine Klinge mit der vermeintlichen Salbe bestrich.
    Verstört starrte der Zauberer ihn an. »Das darf nicht wahr sein! Ich bin entsetzt! O weh, der arme Lodermulch!«
    Cugel bedeutete ihm, still zu sein. »Unsinn!« murmelte er. »Ich schütze lediglich mein Schwert vor Rost.«
    Mit unerbittlicher Entschiedenheit schüttelte Voynod den Kopf. »Es gibt keinen Zweifel! Aus schnöder Habgier habt Ihr Lodermulch gemeuchelt! Mir bleibt keine Wahl, als in Erze Damath die Schergen zu verständigen!«
    Cugel machte eine beschwörende Gebärde. »Überstürzt nichts! Ihr täuscht Euch! Ich bin

Weitere Kostenlose Bücher