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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Abzeichen waren tadellos, doch abgesehen von Keyoke und Papewaio wies nur noch ein einziger weiterer Federbusch auf die Anwesenheit eines Offiziers hin. Mara spürte Kälte in sich aufsteigen und blickte Keyoke an. »Warum sind hier so wenig Krieger, Kommandeur? Wo sind die anderen?«
    Keyoke hielt den Blick nach vorn gerichtet, er ignorierte den Staub, der an seiner polierten Rüstung klebte, und den Schweiß, der unter seinem Helm hervortropfte. »Alle, die in der Lage dazu waren, sind zurückgekehrt, Mylady«, sagte er steif.
    Mara schloß die Augen, sie war unfähig, den Schock zu verbergen. Keyokes einfache Bemerkung bedeutete, daß zweitausend Soldaten mit ihrem Vater und ihrem Bruder gestorben waren. Viele von ihnen waren dem Haus durch jahrelangen, treuen Dienst verbunden gewesen, einige hatten gar Wache an Maras Krippe gestanden. Die meisten waren ihren Vätern und Großvätern in den Dienst bei den Acoma gefolgt.
    Betäubt und sprachlos zählte Mara die vor ihr stehenden Soldaten und rechnete jene hinzu, die als Leibwächter mit ihr gereist waren. Siebenunddreißig Krieger blieben in ihrem Dienst, ein trauriger Bruchteil der Garnison, die ihr Vater einst befehligt hatte. Von den zweitausendfünfhundert Kriegern, die einst das Grün der Acoma getragen hatten, waren fünfhundert abkommandiert, um die Besitztümer der Acoma in entfernten Städten und Provinzen zu schützen. Dreihundert waren bereits vor diesem Feldzug im Spaltkrieg gegen die Barbaren gefallen. Und jetzt, während bisher zweitausend Soldaten den Acoma auf der Höhe ihrer Macht gedient hatten, wurde das Gut nur noch von weniger als fünfzig Männern geschützt. Mara schüttelte traurig den Kopf. Viele Frauen außer ihr hatten Verluste im Spaltkrieg zu beklagen. Verzweiflung erfüllte ihr Herz, als sie begriff, daß die Streitkräfte der Acoma zu gering waren, um einem Angriff widerstehen zu können, nicht einmal einem Überfall durch Banditen, sollte eine kühne Bande sie von den Bergen her angreifen. Aber Mara wußte ebenfalls, warum Keyoke das Gut einem solchen Risiko ausgesetzt hatte und einen großen Teil – vierundzwanzig von siebenunddreißig – der verbliebenen Soldaten zu ihrer Bewachung mitgenommen hatte. Nicht ein einziger Spion der Minwanabi durfte erfahren, wie schwach die Acoma waren. Hoffnungslosigkeit umhüllte sie wie eine erstickende Decke.
    »Warum habt Ihr mir das nicht früher mitgeteilt, Keyoke?« Aber sie erhielt nur Schweigen als Antwort. Und Mara wußte die Antwort auch so. Ihr treuer Kommandeur hatte befürchtet, daß sie vollständig zusammenbrechen würde, wenn sie alle Neuigkeiten auf einmal erführe; etwas, das auf keinen Fall geschehen durfte. Zu viele Soldaten der Acoma waren gestorben, als daß sie einfach hätte aufgeben können. Wenn Hoffnungslosigkeit sie überwältigte, würde das Opfer, das die Krieger für die Ehre der Acoma gebracht hatten, zu bloßem Hohn und Spott verkommen, und ihr Tod wäre Verschwendung gewesen. Mara war kopfüber in das Spiel des Rates gestoßen worden; jetzt benötigte sie jedes bißchen ihres Verstandes und ihrer Schläue, um den Intrigen und Fallstricken zu entgehen, die ihrer unerfahrenen Füße harrten. Der Verrat an ihrem Haus würde erst beendet sein, wenn sie – unerfahren und allein – den Lord der Minwanabi und seine Anhänger besiegt hatte.
    Die Sklaven blieben im Hof stehen. Mara holte tief und zitternd Luft. Mit hocherhobenem Kopf zwang sie sich, aus der Sänfte zu steigen; dann betrat sie die schnörkeligen Bögen des Portikus, der das Haus säumte. Mara wartete, während Keyoke die Träger mit der Sänfte fortschickte und ihrer Eskorte neue Befehle gab. Dann, als der letzte Soldat salutiert hatte, wandte sie sich um. Der Hadonra, ihr Gutsverwalter, verbeugte sich vor ihr, doch der Mann mußte neu auf dem Posten sein, da ihr sein leicht schielender Blick nicht vertraut war. Aber neben ihm stand die winzige, verhutzelte Gestalt Nacoyas. Hinter den beiden warteten noch andere Bedienstete.
    Wieder traf Mara die gewaltige Veränderung ihrer Situation wie ein Schlag. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie sich nicht in die tröstenden Arme der alten Frau flüchten. Als Lady der Acoma mußte sie höflich nicken und dann an ihnen vorbeischreiten, während Nacoya und der Hadonra ihr die Holzstufen hinauf in die schattige Dunkelheit des großen Hauses folgten. Heute mußte sie sich zusammenreißen und so tun, als würde sie die schmerzhafte Spiegelung ihrer eigenen Trauer

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