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Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition)

Titel: Die Autobiographie: Die Ursache / Der Keller / Der Atem / Die Kälte / Ein Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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selbst seinen noch viel größeren
Erschöpfungszustand
als einen ununterbrochenen
Verletzungszustand
niemals auch nur zu einem Augenblick Schlaf machen kann. Die Nächte ziehen sich als Verzweif-lungsund Angstzustände in die Länge, und was er hört und sieht und mit fortwährendem Erschrecken wahrnimmt, ist immer nur neue Nahrung für neue Verzweiflung. Das Internat ist dem Neueingetretenen ein raffiniert gegen ihn und also gegen seine ganze Existenz entworfener,
niederträchtig gegen seinen Geist
gebauter Kerker, in welchem der Direktor (Grünkranz) und seine Gehilfen (Aufseher) alle und alles beherrschen und in welchem nur der absolute Gehorsam und also die absolute Unterordnung der Zöglinge, also der Schwachen unter die Starken (Grünkranz und seine Gehilfen), und nur die Antwortlosigkeit und die Dunkelhaft zulässig sind. Das Internat als Kerker bedeutet zunehmend Strafverschärfung und schließlich vollkommene Aussichts- und Hoffnungslosigkeit. Daß ihn jene, die ihn, wie er immer geglaubt hat, liebten, bei vollem Bewußtsein in diesen staatlichen Kerker geworfen haben, begreift er nicht, was ihn schon in den ersten Tagen in erster Linie beschäftigt, ist naturgemäß der
Selbstmordgedanke
. Das Leben oder die Existenz abzutöten, um es oder sie nicht mehr leben und existieren zu müssen, dieser plötzlichen vollkommenen Armseligkeit und Hilflosigkeit durch einen Sprung aus dem Fenster oder durch Erhängen beispielsweise in der Schuhkammer im Erdgeschoß ein Ende zu machen, erscheint ihm das einzig Richtige, aber er tut es nicht. Immer wenn er in der Schuhkammer Geige übt, für die Geigenübungen ist ihm von Grünkranz die Schuhkammer zugeteilt worden, denkt er an Selbstmord, die Möglichkeiten, sich aufzuhängen, sind in der Schuhkammer die größten, es bedeutet ihm keinerlei Schwierigkeit, an einen Strick zu kommen, und er macht schon am zweiten Tag einen Versuch mit dem Hosenträger, gibt diesen Versuch aber wieder auf und macht seine Geigenübung. Immer wenn er künftig in die Schuhkammer eintritt, tritt er in den Selbstmordgedanken ein. Die Schuhkammer ist mit Hunderten von schweißausschwitzenden Zöglingsschuhen in morschen Holzregalen angefüllt und hat nur eine knapp unter der Decke durch die Mauer geschlagene Fensteröffnung, durch welche aber nur die schlechte Küchenluft hereinkommt. In der Schuhkammer ist er allein mit sich selbst und allein mit seinem Selbstmorddenken, das gleichzeitig mit dem Geigenüben einsetzt. So ist ihm der Eintritt in die Schuhkammer, die zweifellos der fürchterlichste Raum im ganzen Internat ist, Zuflucht zu sich selbst, unter dem Vorwand, Geige zu üben, und er übt so laut Geige in der Schuhkammer, daß er selbst während des Geigenübens in der Schuhkammer ununterbrochen fürchtet, die Schuhkammer müsse in jedem Augenblick explodieren, unter dem ihm leicht und auf das virtuoseste, wenn auch nicht exakteste kommenden Geigenspiel geht er gänzlich in seinem Selbstmorddenken auf, in welchem er schon vor dem Eintritt in das Internat geschult gewesen war, denn er war in dem Zusammenleben mit seinem Großvater die ganze Kindheit vorher durch die Schule der Spekulation mit dem Selbstmord gegangen. Das Geigenspiel und der tägliche Ševčik waren ihm in dem Bewußtsein, es auf der Geige niemals zu etwas Großem zu bringen, ein will-kommenes Alibi für das Alleinsein und Mitsichselbstsein in der Schuhkammer, in die während seiner Übungszeit kein Mensch Zutritt hatte; an der Außenseite der Tür hing ein von der Frau Grünkranz beschriftetes Schild mit der Aufschrift »Kein Zutritt, Musikübung«. Jeden Tag sehnte er sich danach, die ihn vollkommen erschöpfenden Erziehungsqualen im Internat mit dem Aufenthalt in der Schuhkammer unterbrechen, mit der Musik auf seiner Geige diese fürchterliche Schuhkammer seinen Selbstmordgedankenzwecken nützlich machen zu können. Er hatte auf seiner Geige seine eigene, seinem Selbstmorddenken entgegenkommende Musik gemacht, die virtuoseste Musik, die mit der im Ševčik vorgeschriebenen Musik aber nicht das geringste zu tun hatte und auch nichts mit den Aufgaben, die ihm sein Geigenlehrer Steiner gestellt hatte, diese Musik war ihm tatsächlich ein Mittel, sich jeden Tag nach dem Mittagessen von den übrigen Zöglingen und von dem ganzen Internatsgetriebe absondern und sich selbst hingeben zu können, nichts anderes, sie hatte mit einem Geigenstudium, wie es erforderlich gewesen wäre, zu welchem er gezwungen worden war, das er aber,

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