Die Babysammlerin (Contoli-Heinzgen-Krimi)
dich! Messer, dachte sie, Messer ist besser als Hochhaus. Sie musste sich etwas antun. Sich wenigstens verletzen, um den Zwang in ihr nachzukommen. Wenigstens diesem zu entsprechen. Sie drehte sich wie Kreisel, immer schneller. Satan war über ihr und lachte laut und höhnisch. Tu es! Cara, tu es! Vor lauter Phobie stürzte sie. Raffte sich wieder auf, stöhnte: „Mama“. Leonie wusste, dass Mama nicht kommen würde, um ihr zu helfen. Mama war nie gekommen, egal wie oft Leonie sie auch gerufen, nach ihr geschrien oder nur geflüstert hatte. Ihr Körper schlotterte unkontrolliert. Es juckte sie überall. Hastig schob sie die Pulloverärmel hoch und begann, ihre Arme blutig zu kratzen. Riss sich anschließenden den Pullover herunter und attackierte ihren Hals, ihre Brust. Zerrte den Reißverschluss ihrer Hose auf, kratzte sich hinunter bis zum Bauch. Vergaß das Ungeborene darin. Das Jucken, nun vermischt mit beißenden Schmerzen, wollte nicht aufhören. Gleich würde sie den Verstand verlieren. Das Bewusstsein, den Versta....
„ Leon, Mama!!!“
Sie schleppte sich zur Wand. Unter der stattlich eingerahmten Fotografie, die den kleinen Leon im Arm seiner Mutter zeigte, hämmerte sie ihren Kopf gegen die Wand. Im Gleichklang mit dem Turnus, in dem es von innen gegen ihre Schädeldecke pochte, bis schließlich beides ineinander verschmolz, sie zu Boden sackte und die Sinne verlor.
Ein Geräusch holte sie in einen Trancezustand. Schattenhaft vernahm sie Umrisse einer menschlichen Gestalt. Sie erkannte Leon. Die Autoschilder seines BMWs rutschten ihm aus den Armen. Die Einkaufstüten fielen zu Boden. Er rannte zum Telefon, nahm den Hörer ab, horchte und legte sogleich wieder auf. Das Telefon, dachte Cara benommen, ist doch noch gar nicht angemeldet. Leon stülpte die Tüte um und ließ den Inhalt auf den Boden kullern. Er kramte eines der neu erworbenen Handys aus der Verpackung. Im Geschäft wurden beide soweit eingerichtet, dass sie nur noch aufgeladen werden mussten. Flink schloss er eines an den Ladeakku, stürzte zur nächsten Steckdose, und sobald es Saft anzeigte, wählte er ohne zu überlegen die Nummer des alten Hausarztes der Familie. Als Dr. Manfred Baur sich meldete, drückte Leon die rote Taste.
„ Ich kann keinen Arzt rufen“, sagte er zu Cara gerichtet, „niemand oder so wenig Menschen wie möglich sollten hier von uns wissen.“
Cara stöhnte auf, regte sich. Leon schob seinen Arm unter ihren Hals und hob sie leicht an.
„Cara, was hast du getan?“
„ Sie holen mich. Mich und mein Baby.“
„ Kein Mensch holt dich und das Baby.“
Er hob sie hoch, trug sie ein Zimmer weiter und legte sie auf das Bett. Es war die Seite, auf der seine Mutter geschlafen hatte. Er eilte ins angrenzende Bad, befeuchtete einen Waschlappen und lege ihn über ihre Stirn.
„Cara, Liebes, Kleines, hörst du mich?“
Cara nickte schwach.
„Du brauchst Hilfe. Jemand muss diesen Dämon aus dir heraustreiben. Ich kenn durch meinen Vater einen guten Psychotherapeuten.“
2.
Satan repräsentiert den Menschen als bloß ein Tier unter anderen Tieren – manchmal besser, meistens jedoch schlechter als die vierbeinigen – da er durch seine „göttliche, spirituelle und intellektuelle Entwicklung“ zum bösartigsten aller Tiere geworden ist.
(Satanisches Gebot)
Das vierjährige Mädchen wurde unsanft von der Mutter aus dem Schlaf geschüttelt. Es riss die Augen auf, sah im Dämmerlicht der Kerze das Gesicht der Mutter und begann, unmerklich zu zittern.
„Komm, aufstehen!“
Während die Mutter nun im Gegensatz zu ihrem vorherigen Handeln diese zwei Worte sanft aussprach, hob sie das Kind aus dem Bett und zog es rasch notdürftig an. Anschließend ging es an der Hand des Vaters nach draußen zum Wagen. Er setzte das Mädchen auf die Rückbank neben der Mutter. Er selbst nahm hinter dem Steuer Platz.
Zwanzig Minuten später hielt er vor einem Einfamilienhaus weit hinein in eine unbeleuchtete Seitenstraße. Die Wagentür an der Seite des Mädchens öffnete sich und der Arm des Vaters streckte sich unheilvoll in den Wagen. Das Mädchen saß stocksteif und hielt die Augen geschlossen.
„ Mama“, flüsterte es, als sich die Hand des Vaters wie eine Eisenklemme um seinen dünnen Oberarm schloss und es aus dem Wagen zog. Die Mutter schwieg, starrte vor sich hin, als wäre sie weit weg. Das Mädchen wusste, was auf es zukam. Es zeigte seine Weigerung, indem es sich an der Hand des Vaters aus dem Wagen ziehen
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