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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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überrascht den dunkelhaarigen Uniformierten, der sich ihm energischen Schrittes
     näherte. «Ja, der bin ich. Wie sind Sie hier reingekommen?»
    Der Mann warf ihm einen Blick zu, der verdeutlichte, dass er die Frage für unangemessen hielt. André ahnte, dass der Unbekannte
     nicht viel auf Verbote und Konventionen gab.
    «Ich habe mich bereits vor einer Woche mit Ihrer Mitarbeiterin |365| unterhalten. Sie überzeugte mich, dass Sie ein fähiger Ingenieur sind.» Er sprach mit einem eigentümlichen Akzent.
    «Sie schmeicheln mir, doch womit kann ich Ihnen helfen?»
    «Ich will Ihnen den Ballon abkaufen. Oder besser gesagt, die Armee will ihn haben.» Der Offizier musterte André eindringlich.
     «Ich bin überzeugt, dass diese Maschine an der Front sehr wertvolle Dienste leisten würde. Aus der Höhe eines Ballons dürften
     die feindlichen Linien hervorragend zu observieren sein.»
    André brauchte ein paar Sekunden, um zu erfassen, was der schlechtgekleidete Mann ihm da anbot. Er schüttelte den Kopf. «Monsieur,
     ich bin Wissenschaftler, kein Soldat. Ich trage nicht dazu bei, Menschen zu töten oder Länder zu erobern.»
    «Sie würden Soldat werden. Die Hülle ohne einen Mann, der sie herrichten und füllen kann, nützt mir nichts. Ich biete Ihnen
     den regulären Dienst in der Armee der Republik an. Ein Offizierspatent liegt für Sie bereit.» Er fixierte ihn. «Ich könnte
     den Ballon auch requirieren lassen.»
    André wurde heiß. Er hielt dem Blick seines Gegenübers stand. «Ich glaube nicht, dass Monsieur de Barras sehr erfreut darüber
     wäre.» Knapp schloss er: «Ich bin nicht interessiert, désolé, tut mir leid.»
    «Sind Sie denn kein Patriot?»
    «Es sind Namen wie Rousseau, d’Alembert oder Lavoisier, die unserem Land zu Ruhm und Ehre gereichen. Nicht dessen Generäle.»
    «Das kann sich sehr schnell ändern.» Auf dem Gesicht des Mannes blitzte ein kurzes, hungriges Lächeln auf. «Adieu. Ich melde
     mich.»
    Bevor er hinausstürmte, rief André ihm nach: «Darf ich fragen, wer Sie sind?»
    Der Mann drehte sich an der Tür um und grüßte zackig. «Général de brigade Bonaparte. Sie werden noch von mir hören.»

|366| 12.   KAPITEL
    Prairial, Jahr III
    Juni 1795
     
    Marie-Provence prüfte das Barometer, das auf Augenhöhe festgemacht war, verstärkte ihren Zug und warf einen Blick über den
     Korbrand nach unten. Der angeleinte Ballon schwebte etwa zwei Menschenlängen über dem Boden.
    «So ist es gut. Du musst die Kraft deiner Arme wohl dosieren. Wenn du zu sehr am Seil und damit an der Feder ziehst, springt
     innen die Klappe mit einem Ruck auf, und der Ballon macht unweigerlich einen Satz in Richtung Boden.» André lächelte. «Nicht
     gefährlich, aber unangenehm für den Magen.» Er wurde wieder ernst: «Dieses Seil ist sehr wichtig. Da es im Inneren des Ballons
     verläuft, ist es geschützt und kann sich eigentlich nicht verfangen. Falls es dennoch passieren sollte: Vermeide um jeden
     Preis heftige und lange Reibungen zwischen dem Seil und der Seidenhülle! Es könnten Funken entstehen, die den Wasserstoff
     entzünden.»
    Marie-Provence verdrängte die Erinnerung an das explodierte Fass. Sie legte den Kopf in den Nacken und beobachtete die schimmernde,
     dreifarbige Hülle, die sich unfassbar groß über ihrem Kopf wiegte, mit einer Sanftmut, die leicht über ihre Gefährlichkeit
     und kaum gebändigte Kraft hinwegtäuschen konnte. Ihr Magen drehte sich um angesichts der Verantwortung, die sie bald übernehmen
     würde.
    «Du solltest keine Furcht vor ihm haben, sondern versuchen, ihn zu verstehen.» Andrés Hand, schwielig von der harten handwerklichen
     Arbeit der letzten Wochen, umfasste ihr Handgelenk, um sie zu führen, und übte einen sanften Zug aus. «Spürst du das?», fragte
     er. «Spürst du ihn?»
    Das Hanfseil lag rau und trocken in ihrer Handfläche. |367| Sie nickte. Seine Brust drückte an ihren Rücken, sein Herz klopfte an ihrem Schulterblatt. Es war ein Augenblick vollkommenen
     Glücks. Eine leichte Brise strich über das weitläufige Areal – eine Wohltat, denn die Hülle über ihnen strahlte die Wärme
     ab, die die Sonne heute so großzügig spendete. Die Seile, mit denen der Ballon am Boden festgemacht war, gaben leise, spannungsgeladene
     Geräusche von sich.
    André folgte ihrer Blickrichtung. «Er möchte los, er ist bereit!»
    In ihrer Brust weitete sich etwas, von dem sie nicht wusste, ob es Schmerz oder Hoffnung war, und sie schluckte schwer.

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