Die Bank
faltet sich das Papier langsam auf. Die Aufregung ist so groß, daß ich kaum …
»Mach’s endlich auf!« schreit Charlie.
Ich falte es hastig auseinander, und aus dem ersten Blatt fällt ein glänzender kleinerer Papierschnipsel zu Boden. Charlie stürzt sich sofort darauf. Von weitem sieht es aus wie ein Lesezeichen.
»Was ist das?« frage ich.
»Ich habe keine Ahnung.« Charlie schwenkt das Papier hin und her. Das Lesezeichen verschiebt sich, und ein Streifen mit vier Fotografien in einer Reihe kommt zum Vorschein. Es sind Porträtaufnahmen. Die erste zeigt einen Mann mit graumeliertem Haar, neben ihm ist ein blasser mittvierziger Bankierstyp, daneben findet sich eine sommersprossige Frau mit krausem rotem Haar, und den Abschluß bildet ein müde wirkender Schwarzer mit einem Grübchen im Kinn. Es sieht aus wie einer dieser Streifen aus einem Fotoautomaten, aber da die Bilder horizontal aufgereiht sind, ähnelt er noch mehr einem Polizeifoto.
»Was steht auf deinem Papier?« erkundigt sich Charlie.
Ich halte das formal wirkende Dokument fest zwischen den Fingern und überfliege es, so schnell ich kann. Vertraulich … Beschränkungen der Weitergabe … Nicht beschränkt werden Formeln, Zeichnungen, Entwürfe … »Ich habe zwar nie Jura studiert, aber nach vier Jahren Erfahrung mit paranoiden reichen Leuten erkenne ich eine Schweigepflichtsvereinbarung, wenn ich sie sehe.«
»Eine was?«
»Eine Schweigepflichtsvereinbarung. Man unterschreibt sie bei Geschäftsverhandlungen, damit beide Seiten den Mund halten. So verhindert man, daß neue Ideen vorzeitig durchsickern.«
»Und diese hier …?«
Ich halte das Dokument hoch und deute auf die Unterschrift am Boden. Es ist ein wildes Gekritzel mit schmutziger schwarzer Tinte. Der Name ist trotzdem unverkennbar. Martin Duckworth.
43. Kapitel
»Das kapiere ich nicht«, sagt Gillian. »Glaubt ihr, daß Dad etwas erfunden hat?«
»Oh, er hat ganz eindeutig etwas erfunden«, sage ich total aufgeregt. »Und wie es aussieht, hatte er auch etwas Großes am Wickel.«
»Wie kommst du darauf?« fragt Charlie.
Ich schwenke das Papier noch einmal durch die Luft. »Lest mal die anderen Unterschriften auf dem Vertrag.«
Charlie packt mein Handgelenk, um es ruhig zu halten. Einverstanden und unterschrieben … Brandt T. Katkin, Chef-Stratege, Five Points Capital. »Wer ist Brandt Katkin?«
»Vergiß Katkin, ich rede von Five Points Capital. Bei einem solchen Namen und mit einem solchen Brief verwette ich meine Unterhose darauf, daß es eine RK ist.«
»Eine RK?« fragt Gillian.
»Eine Risikokapitalgesellschaft«, erkläre ich. »Sie leihen neuen Firmen Geld … Und bringen Unternehmer auf den Weg, indem sie in ihre Ideen investieren. Außerdem, wenn eine Risikokapitalgesellschaft eine Schweigepflichtsvereinbarung unterschreibt, dann reden wir von einer ganzen Menge Geld,«
»Woher weißt du das?«
»So funktioniert das Geschäft. Diesen Gesellschaften flattern jeden Tag Hunderte von neuen Ideen ins Haus. Ein Kerl erfindet Gimmick A, ein anderer erfindet Gimmick B. Beide Gimmick-Jungs wollen natürlich Schweigepflichtsvereinbarungen, bevor sie die Hose runterlassen. Aber die Risikokapitalgesellschaften hassen solche Schweigepflichtsvereinbarungen. Sie wollen jeden Rock gelupft sehen, der ihnen vor die Augen kommt. Und was noch wichtiger ist. Wenn so eine Firma eine Schweigepflichtserklärung unterschreibt, dann lädt sie praktisch zur Haftung ein. Als wir letztes Jahr einen Klienten zu Deardorff Capital in New York geschickt haben, sagte einer der Partner, daß die nur dann eine Schweigepflichtsvereinbarung unterschreiben würden, wenn Bill Gates hereinmarschiert und sagt: ›Ich habe eine großartige Idee: Unterschreibt das, und ich verrate sie euch.‹«
»Also bedeutet die Tatsache, daß Duckworth sie dazu gebracht hat, die Vereinbarung zu unterschreiben …«
»… daß er eine Idee von gigantischen Ausmaßen gehabt hat«, beende ich den Satz. Ich wende mich an Gillian. »Hast du eine Ahnung, woran er gearbeitet haben könnte?«
»Nein, ich … Ich wußte nicht mal, daß er an etwas gearbeitet hat. Seine anderen Erfindungen waren immer eher unbedeutend, wie dieses Achtspurgerät.«
»Das gehört der Vergangenheit an«, erkläre ich. »Wenn das hier echt ist, hat er etwas ausgetüftelt, gegen das seine Achtspurnummer aussieht … na ja, eben wie eine Achtspurnummer.«
»Es muß etwas mit Computern zu tun gehabt haben«, sagt Charlie.
»Ach nein? Glaubst
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