Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
Vom Netzwerk:
Stunde waren wir noch hoffnungsvoll gewesen, in der zweiten Stunde wurden wir ungeduldig, und mittlerweile sind wir nur noch gereizt.
    »Was ist mit denen da drüben?«
    Charlie schaut auf einen Stapel brauner Kartons, die zwischen einem Haufen rostiger Gartenstühle und einem kaputten, verrosteten Grill stehen. »Ich habe sie überprüft«, sagte er wobei er jedes Wort einzeln betont.
    »Und was war drin?« provoziere ich ihn.
    Seine Ohren sind feuerrot. »Es war noch ein Karton mit zerfledderten Science-Fiction-Romanen und Computerbüchern aus dem Steinzeitalter …« Er reißt den Deckel von dem obersten Karton herunter und holt zwei Bücher heraus. Eine vom Wasser ruinierte Taschenbuchausgabe von Fahrenheit 451 und ein verblichenes Handbuch. Der Commodore 64. Willkommen in der Zukunft.
    Ich bringe ihn dazu, seinen Blick abzuwenden, und deute auf die anderen Kartons in dem Stapel. »Was ist mit denen da drunter?«
    »Das ist … Ich bin weg!« verkündet Charlie und stürmt zur Tür. Er stolpert über eine von Gillians übergroßen Leinwänden, aber diesmal landet er nicht wieder auf den Füßen. Er kracht in einen Stapel Kisten, gewinnt zwar sein Gleichgewicht wieder, aber vorher stößt er den Stapel um. Dutzende Bücher ergießen sich auf den Boden.
    »Charlie, warte!«
    Ich jage ihn ins Wohnzimmer und sehe Gillian, die über die Armlehne des Schaukelstuhls ihres Vaters gebeugt hockt. Sie hat den Kopf gesenkt und die Ellbogen auf die Knie gestützt. Als sie hochsieht, sind ihre Augen rot, als hätte sie geweint.
    Charlie fegt an ihr vorbei und verschwindet in der Küche. Ich muß einfach stehenbleiben.
    »Was hast du denn?« erkundige ich mich. »Ist alles in Ordnung?«
    Sie nickt schweigend, aber mehr ist nicht aus ihr herauszubekommen. In den Händen hält sie einen blauen hölzernen Bilderrahmen mit einer winzigen Mickymaus am unteren Rand. Das alte Foto zeigt einen übergewichtigen Mann in einem Swimmingpool, der stolz sein winziges, etwa einjähriges Mädchen hochhält. Er hat ein schiefes, strahlendes Lächeln aufgesetzt, und das Mädchen trägt einen weichen Strandhut und einen grellen rosafarbenen Badeanzug. Selbst ein Maulwurf genießt anscheinend ab und an einen Sonnentag. Das kleine Mädchen klatscht gerade in die Hände, und er drückt sie fest an seine Brust, als wollte er sie nie wieder loslassen.
    Ich kenne Gillian Duckworth vielleicht nicht besonders gut, aber ich weiß sehr genau, wie es ist, einen Elternteil zu verlieren.
    Ich knie mich neben sie und versuche ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. »Es tut mir leid, daß wir so in deinem Leben herumstochern …«
    »Das ist nicht eure Schuld.«
    »Eigentlich schon. Wenn wir dich nicht so aufwühlen würden, könnten wir nicht …«
    »Hör zu, wenn ich nicht jetzt sein ganzes Zeug sortieren würde, dann hätte ich das in sechs Monaten immer noch nicht geschafft. Außerdem …« Sie schaut auf das Foto. »… Du hast mir ja schließlich nichts versprochen.« Sie will noch etwas sagen, doch die Worte kommen nicht über ihre Lippen. Sie starrt nur auf das Foto und schüttelt schwach den Kopf. »Ich weiß, daß es armselig klingt, aber mir wird jetzt einfach klar, wie wenig ich ihn gekannt habe.« Sie hält den Kopf gesenkt, und ihre schwarzen Locken fallen ihr über den Hals.
    »Gillian, vielleicht fühlst du dich ja besser, wenn ich dir sage, daß es bei uns zu Hause ganz genauso aussieht. Ich habe meinen Vater seit acht Jahren nicht mehr gesehen.«
    Sie blickt auf, und endlich treffen sich unsere Blicke. Sie wischt sich die Tränen mit dem Handrücken ab. Ich lege ihr meine Hand auf die Schulter, aber sie hat sich schon umgedreht. Sie verbirgt das Gesicht in ihren Händen und weint leise, während die Tränen fließen. Obwohl ich neben ihr knie, versucht Gillian, ihre Trauer für sich zu behalten. Irgendwann jedoch müssen wir uns alle öffnen; das ist etwas, was ich gerade lerne. Gillian sackt zur Seite, lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter und schlingt mir die Arme um den Hals. Sie macht kaum Geräusche, während sie schluchzt, aber ich fühle, wie ihre Tränen mein Hemd naß machen. »Es ist okay«, sage ich, als sie wieder ruhiger atmet. »Es ist völlig okay, wenn du ihn vermißt.«
    Ich blicke über ihre Schulter und sehe, wie Charlie uns beobachtet. Er sucht nach einem verräterischen Glanz in ihren Augen … einem Flackern in ihrer Stimme, einem Beweis, daß sie uns nur etwas vorspielt.
    Da mein Bruder bemerkt, daß ich ihn beobachte, dreht

Weitere Kostenlose Bücher