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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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schaffen Sie es, mit soviel weniger auszukommen?«
    »Sie sehen doch, daß ich es nicht schaffe!« erwiderte er leise, den Blick zu Boden gerichtet. Dieses verfluchte Geld, er fühlte sich so erniedrigt, er hätte sein letztes Hemd dafür verwettet, daß die Vabochon entweder eine vertrocknete alte Jungfer oder eine verdammte Lesbe war.
    »Richtig, das sehe ich.« Sie sah ihn von Mal zu Mal länger an, sie hätte schöne Augen und eigentlich auch einen schönen Mund gehabt, hätte sie versucht, beides besser zurGeltung zu bringen. Er siedelte ihr Alter irgendwo zwischen dreißig bis Mitte Vierzig an, ihr Gesicht war falten- und ihre Augen ausdruckslos, doch dadurch, daß sie sich so altmodisch und erzkonservativ gab, war es nicht leicht, ihr Alter genau zu bestimmen. Auch hatte sie keine schlechte Figur, ein klein wenig pummelig vielleicht, aber dieser Eindruck konnte auch von dem unvorteilhaft geschnittenen Kostüm herrühren, das nicht verriet, ob sie einen großen oder kleinen Busen hatte, eine schlanke oder füllige Taille, kräftige oder dünne Oberschenkel. Doch etwas vermochte sie nicht zu verbergen – ihre Hände. Selten zuvor hatte er solch formvollendete Hände gesehen, lange, schmale Finger, so gerade, als wären sie nach Lineal gearbeitet worden, sauber geschnittene, makellose Fingernägel, weder zu lang noch zu kurz, alles, was seiner Meinung nach fehlte, war ein die Makellosigkeit der Finger noch hervorhebender Nagellack. Sie trug auch weder einen Ring noch Ohrringe, keine Halskette und kein Armband, nur eine schmucklose, häßliche Digitaluhr, die dem sie umgebenden Grau den letzten »Pfiff« verlieh. Diese Frau war so ziemlich das schmuckloseste Wesen, das ihm je unter die Augen gekommen war. Und eines der kaltherzigsten. Aber natürlich, dachte er mit bitterem Groll, was für Leute sollten in einem Haifischrachen wie dieser Bank auch sonst schon arbeiten?!
    »Herr von Marquardt, was machen wir mit Ihnen?«
    »Ich …« Hilflosigkeit. Hoffnungslosigkeit. Angst.
    »Passen Sie auf«, sagte sie, und für einen winzigen Moment, einen Wimpernschlag lang, huschte so etwas wie ein Lächeln über ihren schmalen Mund, »Sie lassen mir Ihre Unterlagen hier. Ich werde Ihre Angelegenheit noch einmal prüfen und Sie morgen anrufen. Wann kann ich Sie erreichen?«
    »Morgen ist Donnerstag, da werde ich so gegen fünf, halb sechs zu Hause sein.«
    »Fünf«, sagte sie, unsicher den Kopf wiegend, »das ist etwas spät … Kann ich Sie auch im Büro erreichen?«
    »Sicher«, erwiderte er.
    Er nannte die Telefonnummer, sie schrieb sie auf. »Ich werde um halb fünf anrufen.« Sie erhob sich, ein weiteres Mal lächelte sie, diesmal nicht wie beim ersten Mal in Lichtgeschwindigkeit. Er reichte ihr die Hand, fragte stotternd: »Was ich fragen wollte, ich bin im Augenblick etwas knapp bei Kasse und …«
    »Auch darüber werden wir morgen sprechen.«
    »Hundert Mark?« fragte er gequält. »Ich habe wirklich nichts mehr.«
    »Meinetwegen, hundert Mark. Ich werde Ihrer Zweigstelle Bescheid geben. Und überlegen Sie bitte mit, wie wir den Wagen wieder flott kriegen.«
    »Sicher, und vielen Dank für Ihre Hilfe«, murmelte er im Hinausgehen. Er spürte ihren bohrenden Blick in seinem Rücken, drehte sich aber nicht mehr um. Auf dem Weg nach Hause dachte er unentwegt an morgen und übermorgen und dieses ganze beschissene Leben.

Donnerstag, 16.30 Uhr
    Das Telefon läutete genau um halb fünf. Den ganzen Tag über war in seinem Kopf nichts als diese Schulden, Dr. Vabochon, der Anruf. Vor Nervosität hatte er mit dem Zeigefinger die Haut am rechten Daumen abgepult, bis es blutete, er spielte alle Möglichkeiten durch, was schlimmstenfalls passieren könnte, legte sich Worte zurecht, obgleich er nicht einmal wußte, was sie ihm sagen oder ihn fragen würde. Er hatte die Tür zur Poststelle zugemacht, zuckte zusammen, als das Telefon anschlug, nahm erst nach demdritten Läuten ab. Sollte sie es sein, dann sollte sie nicht denken, er hätte nur auf ihren Anruf gewartet.
    Dr. Vabochon. »Herr von Marquardt«, sagte sie, durch das Telefon klang ihre Stimme warm und weich, »ich habe mir fast einen ganzen Tag nur für Ihre Angelegenheit Zeit genommen, bin aber bis jetzt noch zu keinem endgültigen Resultat gekommen. Ich möchte Sie deshalb bitten, noch einmal vorbeizukommen, damit wir über die Vorschläge, die ich Ihnen zu machen habe, sprechen. Allerdings sollte das auch in Ihrem eigenen Interesse schnellstens geschehen, denn Sie

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