Die beste Lage: Roman (German Edition)
gegeben, statt abzubremsen, und wäre beinahe von der Straße abgekommen.
Eleonora dagegen blieb die Ruhe selbst.
»Es handelt sich bloß um eine Übergangszeit, mein Lieber«, gab sie ihm jedes Mal zur Antwort. »Ach, ein Theater zu leiten« – und wenn sie das sagte, lächelte sie, immer noch ungläubig über das Glück, das ihr widerfahren war –, »so etwas habe ich doch noch nie gemacht! Lass mir nur genug Zeit, bis ich mich zurechtfinde und verstehe, wie das funktioniert … Und außerdem ist für die Kinder doch meine Mutter da, oder?«
Ja, das stimmte, und auch das musste Riccardo Fusco ertragen, diese Frau, die von morgens bis abends im Haus herumschlurfte, ganz abgesehen vom Übrigen … Und das Übrige war, dass immer häufiger irgendeiner seiner Freunde, oft aber auch nur ein gewöhnlicher Bekannter, ihm lachend mitteilte: »Ach, gerade ist Eleonora mit einem Kerl vorbeigegangen … einem schrägen Typen, so einem mit Zöpfchen. War wohl ein Schauspieler.«
Natürlich. Ein Schauspieler! Zudem noch ein »junger« Schauspieler, einer von den vielen, auf die Eleonora dank ihrer Ausstrahlung und ihrer Bildung eine offenkundige Anziehungskraft ausübte. Obwohl sie langsam auf die fünfzig zuging, war sie immer noch eine tolle Frau, groß, stattlich, mit roter Mähne und Augen von einer verwirrenden Veilchenfarbe, eine überwältigende, im wahrsten Sinne des Wortes »theatralische« Erscheinung. Und ihre Wirkung auf Jüngere war es, was Riccardo nicht mehr aushalten konnte. »Wo bist du heute Morgen gewesen? …. Und warum musst du dich immer mit deinen kleinen Schauspielern sehen lassen?«, platzte es aus ihm heraus, sobald sie in Hörweite war.
Und darauf sie: »Ach so? Und wie war das, als du Arm in Arm mit deinen Studentinnen herumspaziert bist?«
Womit sie ins Schwarze traf, und so gelang es ihr am Ende, ihn zu besänftigen. »Liebling, schau, ich habe ihn zur Agentur begleiten müssen«, flüsterte sie. »Du weißt, wir sind unterbesetzt. Aber der Bürgermeister hat mir versprochen, dass ich bald einen Assistenten bekomme, und sag bloß nicht, dass du eifersüchtig bist! Er ist doch noch ein Junge … Ich könnte glatt seine Mutter sein.« Und das sagte sie mit leuchtenden Augen. »Jetzt komm schon und umarme mich … Es ist nur eine Frage der Zeit, ein bisschen Geduld, und alles renkt sich wieder ein, du wirst schon sehen.«
Und er hatte ihr Zeit gelassen und sich in Geduld geübt, zumal eine jener Kolumnen für gebrochene Herzen, deren unermüdlicher Leser er war, seit Eleonora verrücktspielte, ihn daran erinnert hatte, dass solche Launen für die meisten Frauen, die auf die Wechseljahre zusteuern, ganz typisch sind.
Frauen am Rande der Menopause
Tatsächlich – wenn er die Frauen seiner Freunde der Reihe nach unter die Lupe nahm, konnte er mühelos bei jeder von ihnen die mehr oder minder versteckten Anzeichen des Syndroms erkennen. Angefangen bei denen, die sich zum Fitnesskult oder zum südamerikanischen Tanz oder zur systematischen Veränderung von Gesicht und Körper mittels plastischer Chirurgie bekehrt hatten, bis hin zu jenen, die Yoga oder transzendentale Meditation bevorzugten oder Kochkurse belegten oder Sommelierkurse besuchten oder sich einem Ehrenamt, der Katechese oder dem Fairen Handel widmeten. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das waren fast alles Aktivitäten, die an sich harmlos oder gar verdienstvoll waren, aber der fanatische Ernst, mit dem sie in Angriff genommen wurden, verriet das ihnen zugrunde liegende Unbehagen.
Keine von ihnen versuchte jedoch, die mit dem Altern verbundenen Ängste dadurch zu mildern, dass sie die Gesellschaft von jungen aufgehenden Sternen am Theaterhimmel vorzog, während es auf der Welt doch vor Männern wimmelt, die um die fünfzig herum versuchen, ihr Grauen vor dem körperlichen Verfall und dem drohenden Tod zu bannen, indem sie mehr oder minder schönen Frauen im blühenden Alter hinterherrennen – so wenigstens rechtfertigen es die Psychologen, trotz der Tatsache, dass die Männer, mit Verlaub, von Natur aus Schweine sind.
Männer und Frauen in der Blüte ihrer Jahre
Das wusste Riccardo nicht nur dank der unterhaltsamen, manchmal leidenschaftlichen Erzählungen seiner männlichen Altersgenossen – es gibt immer einen, der für eine dieser jungen Geliebten am Ende seine Familie verlässt –, sondern auch aus persönlicher Erfahrung.
Hochgewachsen, brünett, noch im Vollbesitz seines Haupthaars und ohne den
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