Die beste Lage: Roman (German Edition)
Teil I
Eine fröhliche kleine Familie
Wenn man ihn so zwischen den Hügeln auf der Landstraße glänzen sah, schien der rote, mit Kindern – lauter kleinen Mädchen – vollgeladene Fiat Giardinetta Teil jener Szenen mit glücklichen Familien zu sein, die Werbefachleute, wenn nur irgend möglich, in ihre Spots einbauen. Allerdings fehlte die Mamma im Auto, und Riccardo Fusco, der Reklame-Papà, stellte erst dann sein Getrommel auf dem Lenkrad ein, als er merkte, dass Ofelia, die älteste seiner vier Töchter, ihn besorgt anstarrte. Er schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln, das ihm eher zu einem Grinsen geriet, und fing wieder an, mit den Fäusten auf das Steuer einzuhämmern, jetzt aber so, als folgte er dem Rhythmus des albernen Liedchens, das aus dem Radio dudelte. Die Kinder mussten da rausgehalten werden. Sie hatten ein Recht auf ihren Frieden. »Aber war das überhaupt noch möglich?«, fragte er sich just in dem Augenblick, als oben, zwischen den Hügeln, das Dorf mit seinem schönen Kampanile in Sicht kam und er sich trotz der düsteren Gedanken, die ihm durch den Kopf schwirrten, an seinen dort beheimateten Freund erinnerte, und wie jedes Mal, wenn er hier unten vorbeifuhr, fiel ihm ein, dass er jetzt eigentlich abbiegen und bei ihm vorbeischauen könnte.
Das passierte mindestens zweimal im Jahr, nämlich am 18. Mai und am 10. Juli, den Geburtstagen der Barra-Kinder. Die Barras gehörten zu jenen Paaren, mit denen er und seine Frau öfter zusammenkamen. Heute, am 10. Juli, fuhr er wie jedes Mal geradeaus weiter – soweit die Kurven ihm das erlaubten – zum Landhaus seiner Freunde. Am wolkenlosen blauen Himmel war keine Spur von den im Wetterbericht angekündigten Gewittern zu sehen, die ihm einen guten Vorwand geliefert hätten, die Töchter bei den anderen Kindern auf dem Fest zu lassen und allein in die Stadt zurückzukehren, statt – wie er es sonst immer getan hatte – im Garten mit den Frauen der Freundesgruppe zwischen Drinks und Plaudereien das Barbecue vorzubereiten und zu warten, bis die dazugehörigen Männer zum Abendessen eintrudelten.
Trotzdem saß er eine halbe Stunde später wieder im Wagen und fuhr zurück.
Vor dem ungläubigen Publikum, den Frauen seiner Freunde, hatte er etwas von irgendeiner Frist dahergenuschelt. Von etwas Unaufschiebbarem … Ausgerechnet er!
Der König der Abwesenden
Riccardo Fusco hatte eine Forschungsstelle an der Universität inne, und zweifellos kann so etwas auch ein gewisses Engagement erfordern, nicht aber in seinem Fall. Bereits seit Jahren hielt er sich jegliche Verpflichtung vom Hals und hatte denselben Freundinnen gegenüber, die ihm jetzt, während er seine Entschuldigungen herunterhaspelte, mit mitleidiger, wenn nicht gar geringschätziger Miene zuhörten, oft mit seinem Status eines glücklichen und absoluten Nichtstuers geprahlt.
»Außerdem verdiene ich mehr als eure Männer« – die in Wahrheit alle mehr Geld hatten als er –, »zumindest, wenn man das, was ich einnehme, auf die Arbeitsminute und nicht auf die Arbeitsstunde umrechnet. Ist doch klar – oder?«, erklärte er dann amüsiert.
Riccardo Fusco war überhaupt einer, der sich gern amüsierte.
In jedem Freundeskreis, der etwas auf sich hält, gibt es einen, der die Abendessen, die Reisen und die Feste organisiert, und in seiner Clique war eben er derjenige. Kurzum, er sorgte fürs Amüsement. Auf diese Weise hatte er seit dem Tag, an dem er sich in den Typ des perfekten Abwesenden, sozusagen in den König der Abwesenden verwandelt hatte, immer etwas zu tun.
Es war bei seiner dritten Bewerbung um die Stelle eines außerordentlichen Professors passiert, die er eingereicht hatte, obwohl man ihn trotz seiner monumentalen Studie Die Gänse auf dem Markt. Anthropologische Prägung unter besonderer Berücksichtigung des dörflichen Kontextes bereits zweimal hatte scheitern lassen .
Und dabei hatte er in einem bestimmten Moment geglaubt, mit diesem Werk seinem Leben eine Wendung geben zu können, und das, obwohl er selbst der Erste war, der sich wunderte, dass ihm gleich drei Verleger von den zehn, denen er das achthundert Seiten umfassende Manuskript gesandt hatte, antworteten. Zwei schickten ihm tatsächlich sehr positive Briefe, auf die er aber nicht einging. Der dritte, ein gewisser Accardi, rief ihn in seiner Begeisterung sogar an. Ja, aufgrund des Urteils dieses Accardi – sicher, man müsse ordentlich kürzen und die Fachsprache ändern, die durch den Berg statistischer Daten
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