Die beste Lage: Roman (German Edition)
Briganten-Geschirr, ja sogar Briganten-T-Shirts. Inzwischen war es auch fast unmöglich, sich einem Zeitungskiosk zu nähern oder eine Buchhandlung zu betreten, ohne sofort von einer weiteren Woge von Büchern und Lebenserinnerungen und Comics und Romanen über Briganten – wenn nicht gar von Briganten und Brigantinnen oder wohl eher von solchen Leuten, die sich berufen fühlten, in deren Rolle zu schlüpfen – überschwemmt zu werden.
Während er so dahinfuhr, beobachtete Fusco den Schrägflug eines Falken, eines Vertreters jener Vogelart, die seit den Zeiten Friedrichs II. den Himmel Lukaniens in unheimlichen Mengen bevölkerte – vielleicht hatte der Staufer aus diesem Grund ebenhier, in der Basilikata, auf der Burg Lagopesole, seine berühmte Abhandlung Ars venandi cum avibus verfasst –, und nachdem er die Flügelspannweite des Vogels abgeschätzt hatte, kam Riccardo zu dem Schluss, dass er in wenigen Minuten die Waldlichtung überflogen haben würde, in die sich seit einer Woche, wie seit zwei Jahren allsommerlich, Kolonnen von Reisebussen ergossen, welche Touristenfamilien aus ganz Italien ausspuckten. Die Männer putzten sich, kaum angekommen, freudestrahlend mit schäbigen Hüten und Gilets nach Art des Carmine Crocco und seiner Schlächterbande heraus, während ihre Ehefrauen, Töchter, Schwiegermütter oder Verlobten es kaum erwarten konnten, nach dem Spektakel die Darsteller der »Briganten-Bande« kennenzulernen – wie sich, unnötig zu erwähnen, die Truppe nannte, die das Stück aufführte –, und darunter vor allem einen. Den Schönsten, den Faszinierendsten, denjenigen, der auf ein viel treueres Publikum zählen konnte als viele der mächtig aufgebauschten Medienphänomene, und das war der wunderbare, der betörende Klon von Clooney – George Clooney –, der sich in die Herzen Tausender Frauen gespielt hatte und, wie sich Riccardo Fusco inzwischen sicher war, vor allem ins Herz seiner Frau, denn die beiden bildeten praktisch ein unzertrennliches Paar.
Der Klon von Clooney
Vor und nach der Vorstellung sah man sie zusammen beim Abendessen im »Romantischen Briganten-Nest« oder in der »Phantastischen Briganten-Höhle« oder im »Gemütlichen Briganten-Hof« oder in einem der vielen anderen kleinen Lokale, die im Wald wie Pilze aus dem Boden geschossen waren und in den Werbeprospekten ohne einen Hauch von Ironie so beschrieben wurden, als könnte ein Briganten-Nest tatsächlich romantisch und eine Höhle wirklich fantastisch sein – obwohl es heutzutage sehr wenig gibt, was sich nicht als »fantastisch« erweist –, aber dass einer ihrer Höfe gemütlich gewesen sein könnte … Diese Halunken hatten doch nichts anderes getan, als einen Gutshof nach dem anderen in Trümmer zu legen!
Am Anfang hatte Riccardo jedenfalls einen erneuten Versuch unternommen, Eleonora zum Umdenken zu bewegen und ihr zu erklären – Muss man denn so etwas wirklich erklären? – wie unangebracht – Unangebracht? Erwürgen müsste man sie! – ihr Benehmen war. Aber dieses Mal war sie ihm schlicht über den Mund gefahren.
Donato Loruscio (so hieß der »Andere«, dieser Bauern-Clooney) sei ihr Hauptdarsteller – mit dieser Aussprache! – und sie seine Regisseurin. Basta . Über die rein berufliche Beziehung hinaus sei nichts zwischen ihnen. Keine weitere Debatte. Sie könne es nicht mehr ertragen, dass er sich mit seinen albernen Eifersüchteleien in ihre Arbeit einmische. »Denn im Gegensatz zu dir arbeite ich, und ich liebe meine Arbeit … Außerdem scheint mir, dass du dir überhaupt erst dank des Geldes, das ich verdiene, die Reisen, die Autos und all die schönen Dinge leisten kannst, die du für dich und die Mädchen anzuschaffen beliebst.«
Der Hausmann
Was unglücklicherweise stimmte, denn Riccardo hatte, wie wir wissen, jegliches Interesse an seiner Arbeit verloren und kassierte inzwischen nur noch ein Gehalt, das mit Ach und Krach ein paar Wochen zum Einkaufen reichte – wobei er diese Einkäufe auch noch selbst tätigen durfte! – und mit dem nicht einmal die Hälfte der Rechnungen, die ihrem Lebensstandard entsprechend hoch ausfielen, bezahlt werden konnte.
Kurzum, es blieb ihm nichts anderes übrig, als zur Kenntnis zu nehmen, dass sein Leben sich nach einem vielversprechenden Anfang, bei dem er sich in der Illusion gewiegt hatte, ein berühmter Intellektueller werden zu können, zu einem einzigen, unabwendbaren Fiasko entwickelt hatte. Eleonora dagegen hatte alle ihre Träume – ja, mehr
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