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ihr die rasiermesserscharfe Klinge seines Messers, eine glitzernde metallene Schneide, die er aus einem gebrauchten Benzinkanister gefertigt hatte. Sie nahm das Messer an sich und fuhr zweifelnd mit ihrem geübten Finger über die Klinge.
»Nicht stark genug«, stellte sie fest. »Du hast sie zu sehr geschliffen. Beim erstenmal, wenn du sie benutzt, wird sie stumpf werden. Geh hinunter in das Hauptwaffenlabor und schau dir die Messer an, die sie dort haben. Dann besorge dir eine dickere Klinge und schleif sie diesmal vorsichtiger.«
»Mrs. Cummings«, flehte Mike Foster, »kann ich das denn nicht morgen erledigen? Bitte, lassen Sie mich doch jetzt gehen.«
Die anderen Schüler in dem Klassenzimmer verfolgten das Gespräch mit großem Interesse. Mike Foster errötete; er haßte es, aufzufallen und Aufmerksamkeit zu erregen, aber er mußte einfach fort von hier. Er konnte einfach keine Minute länger in der Schule bleiben.
Mrs. Cummings ließ sich nicht erweichen. »Morgen ist Grabetag«, wies sie ihn zurecht. »Da wirst du keine Zeit haben, an deinem Messer zu arbeiten.«
»Oh, doch«, versicherte er eilig. »Nach dem Graben.«
»Nein, das Graben ist dir immer schwergefallen.« Die alte Frau betrachtete die dünnen Arme und Beine des Jungen. »Ich bin der Meinung, daß du heute noch dein Messer fertigmachst. Und morgen kannst du dann den ganzen Tag auf dem Übungsplatz verbringen.«
»Was hat das Graben schon für einen Sinn?« fragte Foster verzweifelt.
»Jeder muß wissen, wie man gräbt«, antwortete Mrs. Cummings geduldig. Die anderen Kinder hatten zu kichern begonnen; sie brachte sie mit einem zornigen Blick zum Schweigen. »Ihr alle wißt, wie wichtig das Graben ist. Wenn der Krieg beginnt, wird die ganze Oberfläche mit Schutt und Geröll bedeckt sein. Um zu überleben, müssen wir uns eingraben können, nicht wahr? Hat einer von euch schon einmal einen Maulwurf dabei beobachtet, wie er nach Pflanzenwurzeln grabt? Der Maulwurf weiß, daß er etwas Wertvolles unter der Erdoberfläche finden wird. Und wir müssen alle zu kleinen, braunen Maulwürfen werden. Wir müssen alle lernen, uns in den Schutt hineinzugraben und die guten Dinge herauszuholen, denn dort werden sie dann sein.«
Mike Foster saß bedrückt da und hielt sein Messer umklammert, während sich Mrs. Cummings von seinem Pult entfernte und die Sitzreihe entlangging. Einige der Kinder blickten ihn spöttisch grinsend an, aber nichts durchdrang den Panzer seines Elends. Das Graben würde ihm nichts nützen. Wenn die Bomben fielen, würde er augenblicklich tot sein. All die Impfstoffe, die man ihm in die Arme und Oberschenkel und in das Hinterteil gespritzt hatte, waren völlig nutzlos. Sein Taschengeld hatte er bereits ausgegeben; nein, Mike Foster würde gar nicht lange genug leben, um bakteriologisch verseucht zu werden. Nicht, solange…
Er sprang auf und folgte Mrs. Cummings zu ihrem Pult. In gequälter Verzweiflung stieß er hervor: »Bitte, ich muß gehen. Ich muß dringend etwas erledigen.«
Zornig verzog Mrs. Cummings den Mund. Aber die Angst in den Augen des Jungen hielt sie von einer heftigen Entgegnung ab. »Was ist los?« fragte sie. »Geht es dir nicht gut?«
Der Junge stand wie erstarrt da, war nicht in der Lage, ihr zu antworten. Amüsiert begann die Klasse zu flüstern und zu kichern, bis Mrs. Cummings wütend mit einem Schreibstift auf ihr Pult klopfte. »Seid still«, schnappte sie. Ihre Stimme wurde dann ein wenig sanfter. »Michael, wenn du nicht richtig funktionierst, dann gehe hinunter in die Psychoklinik. Es hat keinen Sinn, daß du zu arbeiten versuchst, wenn dein Verhalten gestört ist. Miss Groves wird gerne bereit sein, dich zu optimieren.«
»Nein«, sagte Foster.
»Was hast du denn dann?«
Die Klasse wurde unruhig. Mehrere Stimmen antworteten für Foster; seine Zunge war vor Beschämung und Angst wie gelähmt. »Sein Vater ist ein Anti - Z«, erklärten die Stimmen. »Sie besitzen keinen Bunker, und er ist auch nicht für den Zivilschutz registriert. Sein Vater hat nicht einmal seine Gebühr für die NATS entrichtet. Sie haben einfach nichts getan.«
Mrs. Cummings starrte den sprachlosen Jungen entsetzt an. »Ihr habt keinen Bunker?«
Er schüttelte den Kopf.
Ein seltsames Gefühl überkam die Frau. »Aber…« Sie hatte sagen wollen: Aber ihr werdet da oben sterben. Doch rechtzeitig besann sie sich und fragte: »Aber wohin werdet ihr dann gehen?«
»Nirgendwo hin«, antworteten die boshaften Stimmen für
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