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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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passiert war, nicht aus einem verrückten Traum geklettert war, sondern wirklich stattfand. Da musste sie lachen. Doch es war ein verängstigtes und verzweifeltes Lachen.
    Sie konnte sich kaum vorstellen, wie diese geballte Ladung an Fakten, äußerst mysteriös allesamt, aber eben Fakten, bei ihrem Papa ankommen würde, doch nachdem sich ihr Körper kaum zwischen Lachen und Weinen entscheiden konnte, nahm er sie in den Arm und hielt sie einfach nur fest.
    «Was machen wir denn jetzt nur?», schluchzte sie in seine Schulter. Sie spürte, wie er ihr über die Haare strich, diese große, warme Hand, die ihr immer so viel Schutz geboten hatte.
    «Wir kriegen das hin, Sternchen, wir kriegen das alles wieder hin!», beruhigte er sie mit fester, ruhiger Stimme, und Nilah glaubte ihm, sie glaubte es in diesem Moment wirklich.
    Sie konnte ja nicht ahnen, dass all das nur ein Kräuseln auf dem Wasser des Lebens gewesen war.
    Der Sturm würde erst noch kommen.
     

     

Schritt für Schritt
    Eine innere Unruhe ließ Nilah aus einem ohnehin kaum Schlaf zu nennenden Zustand in den Morgen treiben. Müde fuhr sie sich über die Augen und musste erst einen Moment warten, bis ihr Blick sich klärte. Stöhnend erhob sie sich, schlug die Wolldecke beiseite und schaute auf das Sofa gegenüber. Er lag noch da. Das Morgenlicht hatte gerade erst begonnen, sich den Tag zu erobern. So schien das ganze Wohnzimmer in einer dämmrigen grauen Zwischenwelt zu schweben.
    Sie begriff es nicht gleich, aber als sie aufstand, sich neben Liran hinhockte und vorsichtig, fast schüchtern, seine Wange fühlte, stutzte sie. Nicht nur, dass seine Haut glühte, nein, es schien auf verwirrende Weise etwas an ihm zu fehlen. Sämtliche Schnitte und Kratzer waren verheilt. Nicht einmal die kleinste Narbe. Doch noch etwas war fort. Mutig lupfte sie die Decken ein wenig an und schluckte.
    Schnell tappte sie in die Küche, wo sie ihren Vater mit dem Kopf auf dem Tisch dösend fand. Zwischen einer Thermoskanne und einem halbvollen Kaffeebecher brummte er leise vor sich hin. Als Kissen hatte er sich einen Grillhandschuh genommen. Nilah musste einfach schmunzeln. Sie stupste ihn wach, bekam zuerst nur ein ‚Ich-bin-nicht-da‘-Grummeln als Antwort, bis er endlich die Augen öffnete und sich, den verspannten Nacken reibend, aufrichtete, ein müdes Fragezeichen in den Pupillen über den dunklen Augenringen.
    «Das solltest Du Dir ansehen. Ich glaube, da stimmt etwas nicht», sagte Nilah.
    Ihr Vater schob den Stuhl zurück und folgte ihr gähnend. Dann standen sie beide vor dem Sofa. Nilahs Vater legte Liran die Hand auf die Stirn und sog laut die Luft ein.
    «Das ist eindeutig Fieber. Vielleicht hätten wir ihm doch dieses Antibiotikum geben sollen.» Er wühlte in der Hosentasche und zog sein Handy 'raus. «O.k., Nili. Ich klingele Peter aus dem Bett. Wir bleiben abwechselnd bei ihm, wie letzte Nacht.» Er schnupperte an seinem Pullover. «Und ich denke, wir zwei könnten eine heiße Dusche vertragen.»
    «Fällt dir sonst nichts auf?», fuhr Nilah ihn an.
    Einen Augenblick lang sah er auf Liran hinunter, als frage er sich, was zum Teufel er noch alles in seinem müden Zustand ertragen solle. Dann beugte er sich plötzlich vor und zog an der Decke.
    «Ach du Scheiße!», sagte er.
     
    Die Tatsache, dass Lirans Tattoos verschwunden waren, als hätte es sie nie gegeben oder als wären sie ein Trugbild gewesen, machte Nilah nervös. Sie stand in ihrem Zimmer, sie brauchte etwas Abstand, und stellte fest, dass der Raum irgendwie entrückt wirkte. Die PeTA-Poster, mit ihren: Lieber nackt als im Pelz Slogans, Broschüren von Terre des Femmes auf dem Schreibtisch, ihre kleine Kakteensammlung auf dem Fensterbrett. Die wenigen Bücher im Regal, wann hatte sie eigentlich das letzte Mal ein Buch gelesen? Es fiel ihr nicht ein. Das Zimmer war plötzlich so unreal, so unvertraut.
    Sie schlüpfte in eine Jeans und zog sich einen dicken, weichen Rollkragenpulli über, kämmte sich die Haare streng nach hinten und machte sich einen Pferdeschwanz. Damit wirkte sie immer ein wenig älter.
    Als sie sich in der Küche einen Tee machte, fuhr Peter Heinken mit seinem 911er vor. Wie oft hatte sie ihm schon gesagt, dass das Ding pure Umweltverschmutzung sei? Nilah hatte ihm sogar einen Aufkleber auf seine protzige Stoßstange geklebt: Klimakiller stand darauf. Er hatte ihn einfach 'drangelassen und insgeheim vermutete sie, fand er das sogar cool. Es war ihr schon immer schwer gefallen,

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