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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Leute mit ihren Ansichten zu bestürmen, wenn diese so verdammt sympathisch waren. Peter gehörte eindeutig dazu. Sie wollte dann nie Porzellan zerdeppern, das man nach der Hitze des Gefechts nicht wieder würde kleben können.
    Peter sah sie am Fenster und winkte. Man hätte ihn auch zu einem Massaker rufen können, solange er nicht in den Arzt-Modus einschwenkte, war für ihn die Welt ein Ort, angefüllt mit guter Laune. Manchmal beneidete Nilah ihn um diese Gabe.
    «Ah, die Sonne geht auf!», begrüßte er sie und gab ihr links und rechts ein paar Wangenküsschen. «Guten Morgen, Süße», murmelte er dann, trat ein und schnupperte. «Mhm, eine Tasse Tee wäre jetzt fein. Und unser Sorgenkind? Immer noch im Wohnzimmer?»
    Nilah nickte. Der Arzt war ein untersetzter, eher kleiner Mann, dem die Haare schon mit dreißig davongelaufen waren und nur einen Kranz zurückgelassen hatten. Aber er war ein Hibbelmors , nichts an seinem Körper stand jemals wirklich still. Und obwohl er jetzt Anfang fünfzig war, hinderte es ihn nicht daran, sich wie ein Rockstar zu kleiden. Flickenjeans, Cowboystiefel und darüber ein nietenbesetztes Jackett von Armani. Er war ein Kauz, aber einer, den man sofort ins Herz schloss. Als Nilah mit einem Tablett ins Wohnzimmer trat, hörte sie, wie Peter gerade ihren Vater zurechtwies.
    «Daan, verdammt. So 'n kleines Zäpfchen, das ist doch wohl nicht so schwer. Warum haben denn immer alle so viel Angst vor dem Unterdeck?»
    Peter benutzte gern nautische Begriffe, um den menschlichen Körper zu beschreiben. Wenn man Magenschmerzen hatte, dann stimmte eben etwas mit der Kombüse nicht. Hatte man Kopfschmerzen, war die Brücke schuld. Er war in Hamburg geboren, lebte dort und hatte sich auch schon ein feines Plätzchen auf dem größten Friedhof Europas gesichert, mitten im Herzen seiner so geliebten Stadt.
    Nilah stellte den Tee ab und sah, wie ihr Vater hinter Peters Rücken Grimassen und Faxen machte, und musste grinsen. Die beiden waren seit fünfundzwanzig Jahren dicke Freunde, aber sie liebten es, sich zu kabbeln.
    «39,9° C, das gefällt mir überhaupt nicht. Und wo sind diese ganzen blauen Zeichen und Kringel hin?», fragte Peter ohne jeden Unterton, als hätte er nur die Uhrzeit wissen wollen.
    Nilahs Vater zuckte mit den Schultern. Jetzt, da er geduscht und frisch rasiert war, konnte man den Schelm wieder in seinem Gesicht sehen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er sich von gewissen Umständen nicht unterkriegen ließ, egal, wie düster sie waren.
    «Wir wissen es auch nicht. Als ich heute morgen für ein paar Minuten eingedöst bin, da waren sie noch da», antwortete Nilah. «Und als ich die Augen wieder aufmachte, waren sie einfach weg. Glaubst du, das hat etwas zu bedeuten?»
    Jetzt zuckte Peter mit den Schultern, horchte aufmerksam durch sein Stethoskop und machte eine angestrengte Miene, als ob er das Gehörte nicht im Geringsten einordnen könne.
    «Das wohl eher nicht ... beim Barte des Störtebeker, ich höre nur Wirrwarr da 'drin. Einmal ist da ein Herzschlag, dann wieder nicht, dann klingt es wie zwei oder drei verschiedene nebeneinander.» Er stand auf, hängte sich das Stethoskop um den Nacken und sah Nilah und ihrem Vater fest in die Augen.
    «Das mit Neuseeland war ja wohl Seemannsgarn, ihr beiden, oder? Ich sehe vielleicht so aus, aber ich bin nicht Professor Hastig. Ich habe im Internet geforscht. Anam Ċara bedeutet Seelenfreund auf gälisch und einige der Zeichen, die auf seinem Körper waren, haben für mich nach keltischen Motiven ausgesehen. Keine Spur von irgendwelchen Maori. Sollte deshalb das Krankenhaus außen vor bleiben? Also: Was ist hier am Kochen?»
    «Verdammt!», murmelte Nilah plötzlich und lief aus dem Zimmer. Ihr war etwas eingefallen. Sie rannte die Treppe nach oben, um ihr Handy zu suchen. Es lag zwischen ihren Reiseklamotten, die noch immer im Koffer lagen. Sie tippte ihren Code ein und sofort piepte es. Sie hatte über zehn SMS. Das Gerät zeigte an, dass jemand versucht hatte, sie anzurufen. Es war stets die gleiche Nummer. Die von Atticus Finch.
    Nilah, Atticus hier!
    Bitte melde Dich! Bitte!
    Ein Mann (L.) war hier.
    Er sucht Dich ... dringend!
    Brief ok!
    Habe Mail geschickt!
    Geht es Dir/Euch gut?
    Mache mir Sorgen!
    A.F.
    Nilah rief sofort zurück und hörte einen vor Erleichterung kaum zu bändigen Atticus am anderen Ende, der kurz davor gewesen war, sich in ein Flugzeug zu setzen, um selbst nach dem Rechten zu sehen.
    Sie brauchte

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