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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Sunabru hörte den unvergleichlichen Klang, der ertönte, wenn eine Schwertklinge ihre Seele schwingen ließ. Langsam drehte er sich um. Der gewölbte Raum lag in Dunkelheit da, nur das Mondlicht warf einen breiten Streifen auf den Boden, in dem sich die Schatten seiner wehenden Haare wie gerade geschriebene Schriftzeichen wanden. In allen Ecken und Winkeln pfiff der Wind kleine, winselnde Lieder. Er hasste dieses Land.
    Vor ihm lagen ein Schwert und ein Kriegsbeil. Er spürte, wie sich etwas in ihm regte. Die lange, eher breite Klinge, die sich zur Spitze hin mit einer feinen Wölbung verbreiterte, die exakte Rinne in der Mitte; der Griff, der für eine wie auch für beide Hände geeignet war. Die Parierstange einfach und schlicht. Er hatte schon einmal ein ganz ähnliches Schwert gesehen. Untypisch war es. Für einen Individualisten gefertigt. Für einen, der sich nicht um Schmiedemode scherte, sondern für ihre tödliche Balance.
    Mit einem Wink bedeutete er dem Diener, es ihm zu bringen. Die Klinge funkelte kaum im Mondlicht, als würde sie das Licht verschlucken. Sunabru beugte sich tiefer und leckte an dem Metall. Dann sah er es. Er knurrte und der Diener wich einen Schritt zurück. Angst kannten sie nicht, selbst vor ihm nicht. Nur Ehrfurcht.
    «Wer hat dieses Schwert getragen?», kam es grollend aus seinem Mund.
    Klackernd kam die Antwort.
    «Bringt seinen Bruder!» Die Hufe verklangen hohl und dröhnend, als der Diener in die Schwärze der Treppe eintauchte und sein krummer Rücken die Stufen hinabwankte.
    Wenig später wurde ein strampelnder Rätselfinder in das Gewölbe gestoßen und landete unsanft auf dem harten Steinboden. Er war kleiner als andere. Er hatte ein spitzes, trotziges Gesicht. Der Ungehorsam der Jugend. Als der widerspenstige Kerl sich wieder auf die Beine rappelte und das Schwert auf dem Boden erblickte, glomm etwas in seinen orangen Augen auf. Seine lange gebogene Nase schien unauffällig zu schnuppern und wippte dabei leicht auf und ab, als versuche er etwas aus dem Geruch zu lesen. Ein feines Zittern zog sich von den abstehenden Hängeohren bis in die herabhängenden verfilzten Fransen, die daran baumelten.
    A´kir Sunabru trat aus dem Schatten, und der Körper des Rätselfinders sackte sichtbar ein paar Zentimeter in sich zusammen. Niemand hatte ihn bisher ansehen können, ohne dabei vor Angst zu vergehen. Es war, wie in den Alptraum eines verrückten Gottes zu blicken. Schlurfend, als lägen noch immer tausend Faden Wasser auf seinem Körper, ging er auf den Rätselfinder zu. Der junge Rok starrte ihn an. Angst und noch etwas, das nicht zu deuten war, sprachen aus seinem Blick.
    «Was hat Dein Bruder vor?»
    Rok blieb stumm. Er biss sogar noch mehr die Zähne aufeinander, so dass sich die Wangenmuskeln spannten.
    Die Wortwürmer lösten sich aus seiner Zunge, flogen mit ihren glänzenden Leibern auf Rok zu und ließen sich überall auf seinem Gesicht nieder, wo sie umherkrabbelten und aufgeregt ihre Flügel summen ließen. Rok schloss die Augen und bebte vor Ekel und Angst. Die Wortwürmer krochen in die Ohren und zerplatzten. Doch kein Laut kam über die Lippen des Rätselfinders.
    «SPRICH SKLAVE! WO IST DEIN BRUDER?»
    Dieses Mal waren die Wortwürmer pfeilschnell, und sie krabbelten nicht nur in die Ohren des zitternden Rok, sondern schlüpften auch in die Nasenlöcher. Einige zwängten sich in seinen Mund und ein paar krochen ihm geradewegs unter die Augenlider. Der Rätselfinder zuckte und schüttelte sich vor Schmerzen.
    «R E D E ... E N D L I C H !»
    Nichts.
    Dann stachen, platzten und kreischten die Würmer. Aus Roks Nase, Mund, Ohren und Augen quoll Blut, das wie kleine, zähe rote Flüsse über sein Gesicht rann. Plötzlich öffneten sich seine Lippen. Es war mehr ein grässliches Gurgeln, denn Sprache: «Verrecke ver … dammter … Un … toter», ertönte es stotternd zwischen den Steinwänden.
    So viel Widerstand, so viel Tapferkeit – so viel Dummheit. Es hatte keinen Sinn mehr. Eine Klinge durchtrennte den Hals des kleinen Rätselfinders. Er sackte leblos zu Boden, und sein Blut floss träge über die Steine.
    Dieser Tok hatte also sein eigenes kleines Schlachtfeld eröffnet und bereits die ersten Züge gemacht. A´kir Sunabru nahm das Schwert und betrachtete es lange. Dort draußen war jemand und hatte die Fähigkeiten besessen, einige seiner Kreaturen zu töten. Doch nun lag dieser Mann mit einem Dam´ Daru im Rücken tot am Grunde des Meeres und seine Waffen

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