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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Bereitschaftsdienst. Er wird wissen, was zu tun ist. Solange müssen wir seine Sachen eben zerschneiden und ein paar warme Decken über ihn legen. Geh und hole alles, was wir haben!», bestimmte ihr Vater, während er nach seinem Handy griff.
    Nilah rannte los, riss jede Decke an sich, die sie auf die Schnelle finden konnte, und stopfte sie sich unter die Arme. Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf. Als sie wieder nach unten kam, stand ihr Vater in der Tür und zog sich gerade einen warmen Pullover über.
    «Das mache ich jetzt besser», sagte er energisch und nahm ihr die Decken ab.
    «Aber ich ...»
    «Nein, Nili, das mache ich. Bitte! Warte, bis ich Dich rufe. Peter kommt jeden Moment, also schiebst Du Wache an der Tür!»
    «Warte!», rief Nilah und sah ihn an. Ihr Vater merkte, dass sie etwas Wichtiges zu sagen hatte. Er kannte sie gut genug.
    «Egal, was Du tust, zieh ihm nicht seine Schuhe aus! Zieh ihm nicht seine Schuhe aus, bitte!»
    Ihr Vater nickte verwirrt. Dann schloss er die Schiebetür.
    Nilah rannte erneut nach oben ins Bad, pfefferte ihre nassen Sachen in die Dusche, trocknete sich mit einem Handtuch im Laufen ab, holte aus ihrem Schrank schnell einen Jogginganzug und zog ihn auf dem Weg die Treppe runter an. In ihrem Kopf war noch immer der Traum, der wie das Negativbild eines Blitzes auf ihrer Netzhaut klebte, aber er wurde überlagert von einem langgezogenem «ogottogottogott», das sie mechanisch antrieb. Sie hatte Angst um Liran. Wahnsinnige Angst, er könnte sterben. Sie ging in die Küche und setzte mit fahrigen Händen Kaffee auf. Ihr Leben war jetzt in einen Sturm geraten und wie jeder normale Mensch versuchte sie, das zu akzeptieren und den Sturm zu überleben.
    Zehn Minuten später raste ein gelber Porsche die Auffahrt herauf und bremste so heftig, dass der Schotter in die Büsche flog.
    Die Wagentür flog auf, ein Mann stieg aus, klein, drahtig und mit einem Cowboyhut auf dem Schädel. Er rannte zur Haustür, die erwartungsgemäß schon von Nilah aufgerissen war, und lief mit seiner Arzttasche gleich durch ins Wohnzimmer. Für einen Moment sah Nilah Liran dort liegen, im Schein einiger Lampen. Erschrocken hielt sie die Hand vor die Lippen. Er sah grauenhaft aus.
    Die Schiebewand wurde sofort wieder zugezogen und Nilah stand davor, zitternd wie Espen-
laub.
    «Grundgütiger!», hörte sie Peter drinnen ausrufen. Dann wurde es stiller. Nur noch Gemurmel. Sie hörte etwas wie: « … Puls … o.k.!» «Wer … Teufel … ist das?» Nilah wurde verrückt vor Sorge. Als sich endlich die Tür wieder öffnete, stand ihr Vater vor ihr. Sein Gesicht voller Besorgnis, Furcht und Unglauben. Er sagte nichts, sondern nickte nur kurz mit dem Kopf, um ihr zu vermitteln, sie könne jetzt ruhig hereinkommen. Ganz leise trat Nilah ein.
    Auf dem Sofatisch lagen Mullbinden und zu viele Wattepads, die voller Blut waren. Lirans Kleidung lag auf dem Boden vor dem Kamin. Erleichtert stellte sie fest, dass seine Stiefel dort nicht standen. Neben Peter lag auf einer Plastikfolie der Pfeil. Ein Schauer durchlief sie. Pechschwarz und gewunden war er. An seiner geschnitzten Spitze waren lauter Widerhaken. Unwillkürlich zwickte es in ihrer Schulter.
    Unter einem Berg von Decken lag Liran mit geschlossenen Augen, aber wenigsten hob und senkte sich seine Brust, also war er am Leben. Blaue Tätowierungen an Armen, Schultern und Hals glänzten im Licht und Nilah dachte sogar, sie würden sich irgendwie umsehen. Peter saß neben dem Krieger auf der Tischkante und horchte mit seinem Stethoskop auf seiner Brust. Er sah auf und lächelte kurz. Nilah lächelte zurück.
    «Wie geht es ihm?», fragte sie zögerlich.
    «Nun, er lebt. Und das ist ein Wunder. Wer immer dieses ...», er deutete mit einer Kopfbewegung neben sich, «dieses fürchterliche Ding auf ihn abgeschossen hat, wollte ihn damit direkt in den Hades schicken. Es hat sich in ihn gebohrt wie ein Korkenzieher in eine Flasche Wein. Aber es blieb stecken, kurz vor seinem Herzen. Ein wenig weiter und ...»
    «Wird er wieder gesund?»
    «Ich weiß es nicht, Nilah. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nichts mehr. Diese seltsame Waffe ist dazu erschaffen worden, sich komplett durch einen Körper zu schlängeln, aber sie hat es nicht getan. Und diese Widerhaken sind innen hohl. Ich habe eine Probe genommen, aber ich wette, sie sind auch noch mit Gift präpariert worden. Ich habe noch nie solch eine Wunde gesehen und noch nie jemanden wie ihn untersucht. Er ist, nun ja,

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