Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
von der Pfanne mit den Rühreiern abgeirrt und hinüber zu dem gerahmten Foto gewandert. Es stand ganz unverfänglich auf dem kleinen Nippesregal der Einbauküche im Tudorstil, die Joyces Ehemann mit eigenen Händen gebaut hatte.
    Es war ein Bild von ihr, Keith und den Kindern in Skegness. Es musste 1989 gewesen sein, und es hatte fast die gesamten vierzehn Tage geregnet. Das Foto hatte der Platzwart auf der Minigolf-Anlage gemacht. Barry hatte er geheißen, erinnerte sie sich. Die meisten Besucher im Haus der Kibbys hätten das Foto für irgendeinen unbedeutenden Familienschnappschuss gehalten, vor allem, weil das Haus voll von solchen Bildern war. Aber für Joyce besaß es eine magische, geradezu transzendentale Qualität.
    Für sie war es das eine Bild, in dem der Wesenskern jedes von ihnen perfekt getroffen war: Keith mit seiner hart erarbeiteten Aufgeräumtheit; Caroline mit der militanten Schadenfreude, die sie schon als Kind an den Tag gelegt hatte. Und dann war da Brians Fröhlichkeit; sie hatte immer etwas irgendwie Prekäres gehabt, als könnte sie dunkle Mächte herbeirufen, die sie vernichten würden, wenn man sie zu offen zeigte. Kurz gesagt, überlegte sie sorgenvoll, war er genau wie sie.
    Ein Geruch nach Verbranntem stieg ihr in die Nase. – Mist, murmelte Joyce, zog die Pfanne von der heißen Herdplatte und kratzte mit dem hölzernen Löffel an den Eiern herum, damit sie sich nicht betonfest mit dem Pfannenboden verbanden. Diese Pillen, die ihr Dr. Graigmyre gegeben hatte, damit sie mit Keiths Zustand besser fertig wurde, die machten sie schwerfällig und schusselig.
    Wo steckte Caroline bloß?
    Joyce Kibby, eine dünne Frau Ende vierzig mit großen, unsteten Augen und ausgeprägter Nase, huschte über die Schieferfliesen des Küchenbodens, steckte den Kopf zur Küchentür hinaus auf den Flur und rief nach oben: – Caroline! Essen!
    Oben in ihrem Zimmer stemmte sich Caroline Kibby langsam auf die Ellbogen hoch und strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht. Ein riesiges Bild von Robbie Williams grinste sie von der Wand neben ihr an. Sie hatte speziell dieses Bild von ihm schon immer sehr süß und irgendwie rührend gefunden. Heute schmeichelte es Robbie Williams allerdings gar nicht, sondern ließ ihn eher etwas dümmlich aussehen. Als sie die Beine aus dem Bett schwang, konnte sie gerade eine Sekunde lang die Gänsehaut darauf betrachten, da ertönte von unten schon wieder Joyces schrille Stimme. – Caroliiinne!
    – Aye. Aye. Aye, flüsterte sie in halblauter Erbitterung ihrem Poster zu.
    Caroline stand auf, und während der paar Schritte zur Tür, wo am Haken ihr blauer Morgenmantel hing, spürte sie die Kälte. Sie warf den Mantel über und zog ihn instinktiv vor der Brust zusammen, als sie auf den Flur trat. Ihr Bruder machte sich gerade fertig, er hatte die Badezimmertür offen, damit der Wasserdampf von der Dusche abziehen konnte. Auf dem Spiegel war ein tropfender Davidsstern. Brian hatte bereits den dunkelblauen Anzug an, auf dessen Anschaffung für den neuen Job ihr Dad bestanden hatte. Er stand ihm, ihr Bruder wirkte darin elegant schlank anstatt unnatürlich schmal, wie er normalerweise wahrgenommen wurde. Das gab ihm etwas, fand sie, ihr Bruder war definitiv ein Anzugtyp. – Sehr schick, lächelte sie.
    Brian grinste seine Schwester an und entblößte dabei seine großen, weißen Zähne. Schöne Zähne hatte er, dachte Caroline.
    Es war ein großer Tag für ihn. Er übernahm eine Stelle in einem größeren Amt als Fife und wurde um mehrere Besoldungsgruppen hochgestuft. Dazu fiel noch ein Teil der Fahrtkosten weg. Jedenfalls war es ein großer Schritt hin zu mehr Verantwortung, und irgendwie, vielleicht wegen seiner müden Augen, kam es Caroline so vor, als sähe man ihm die Belastung ein bisschen an. Aber schließlich standen sie alle zurzeit unter großem Druck. – Nervös?, fragte sie.
    – Nee, sagte Brian, räumte dann aber ein: – Na ja, ein bisschen vielleicht.
    – Caroline!, Joyces Stimme, schrill und nasal, schallte schon wieder von unten. – Dein Frühstück wird kalt!
    Caroline lehnte sich über das Treppengeländer. – Aye! Ich bin nicht taub! Ich komm ja schon, schimpfte sie, und Brian Kibby registrierte nervös, wie sich die Sehnen am Hals seiner Schwester spannten.
    Joyce stellte ihr Geraschel unten sofort ein, und Stille stieg wie heißer Dampf aus der Küche empor. Es war, als hätte ein versteckter Scharfschütze gerade den Kopf eines Kameraden in ihrer

Weitere Kostenlose Bücher