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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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in das Alter kam, in dem er Keiths Ansicht nach zu alt war, noch mit den Eltern in Urlaub zu fahren, fragte der Vater den Sohn, wohin er denn nun in den Ferien wolle.
    – Hamburg, hatte Brian enthusiastisch geantwortet.
    Keith hatte mit Sorge an den Schmuddelsex der Touristenfalle Reeperbahn denken müssen, doch dann sagte er sich mit einiger Erleichterung, dass dies ja nur einen bei seinem Jungen längst überfälligen Initiationsritus darstellte, und erinnerte sich der eigenen Abenteuer im Rotlichtviertel von Amsterdam. Doch dann gab es ihm innerlich einen Riss, als sein Junge ergänzte: – Dort haben sie die größte Modelleisenbahn der Welt!
    Keith wusste aber, dass er selbst es gewesen war, der den Anstoß zu dieser Leidenschaft gegeben hatte. Er hatte seinem Sohn dabei geholfen, die hohen Berge aus Pappmaschee zu formen, die die Züge umkurvten oder durchtunnelten, und war ihm bei den detailreichen Gebäuden zur Hand gegangen. Brians ganzer Stolz war der Bahnhof mit Hotel, für die St Pancras in London Vorbild gewesen war. Es war Teil eines Werkunterrichtprojektes in der Schule gewesen, wo es mehrere Sabotageversuche vonseiten Andy McGrillens überstanden hatte, eines Schulschlägers, der gerade ihn besonders aufs Korn genommen hatte. Doch nachdem er die Modelle erst einmal sicher nach Hause transportiert hatte, konnte Brian Kibby nichts mehr aufhalten, denn alles andere gründete auf diesen Bauwerken, die er so liebevoll gefertigt hatte.
    Heute verfügte Kibbytown, wie er die Stadt gerne nannte, auch noch über ein Fußballstadion, das er um ein Subbuteo-Spielfeld errichtet hatte. Die Gleise führten daran vorbei und erinnerten den Betrachter an Brockville oder Starks Park. Sein jüngstes Projekt war die Errichtung einer architektonisch ambitionierten modernen Tribüne, die die Eisenbahngleise wie eine Brücke überspannen sollte und nach dem Vorbild des Lansdowne Road Stadion in Dublin konzipiert war. Brian überwand hierfür sogar seine Aversion gegen Sport und besuchte mehrere Spiele in Tynecastle und Murrayfield, um sich mit Stadion-Architektur vertraut zu machen.
    Keith wirkte immer etwas besorgt, wenn eine neue Konstruktionsphase begann. Er fürchtete, sein Sohn könne die Pappmascheeberge plattmachen, denen er unverhältnismäßig viel Interesse entgegenbrachte, doch Brian baute stets um sie herum. Und wie der Junge baute: Mietshäuser, Hochhäuser, Bungalows, alles was ihm in den Sinn kam, während sich seine Stadt auf dem Dachboden ausbreitete, ein Spiegelbild der Entwicklung, die der Westen von Edinburgh nahm, in dem er aufwuchs.
    Nun, als er im morgendlichen Regen auf der Straße stand und ins Schaufenster von Wilson’s Hobbies guckte, traf es ihn wie ein Schlag. Er traute seinen Augen nicht – aber da stand sie wirklich! Die elegante rotbraune und schwarze Lok prangte glänzend im Schaufenster, während er mit freudiger Erregung die goldschwarz gehaltene Tafel an ihrer Seite las: CITY OF NOTTING HAM . Es war eine R2383 BR Princess Class City of Nottingham . Aufgrund der starken Nachfrage war sie gleich zur Rarität geworden und schon lange nicht mehr lieferbar.
    Wie lange bin ich schon hinter einer von denen her?
    Sein Herz begann wild zu pochen, als er auf seine Uhr schaute. Der Laden machte um neun Uhr auf, also in nur fünf Minuten, doch er musste sich bereits um Viertel nach neun bei Mr Foy vorstellen. Die Lok sollte 105 Pfund kosten, und wenn er sie dort ließe, würde sie ihm mit Sicherheit weggeschnappt, bevor er in der Mittagspause wiederkommen konnte. Brian Kibby stürmte über die Straße zum Bankautomaten und hob sein Geld ab, dabei zitterte er die ganze Zeit vor Aufregung und Furcht, ein anderer Modelleisenbahnfan könnte ihm zuvorkommen und das kostbare Schmuckstück kaufen.
    Als er zum Laden zurückhastete, sah Kibby Arthur, den alten Ladenbesitzer, zur Tür schlurfen und den Laden aufschließen. Er stolperte hinter ihm her, unfähig, seine Aufregung zu unterdrücken, und musste abrupt innehalten, als der alte Mann sich plötzlich nach der morgendlichen Post bückte. Er sammelte die Briefe und Prospekte auf, wozu er nach Kibbys Dafürhalten unerträglich lange brauchte, und sagte dann verständnisvoll: – Aye, Brian, mein Junge, ich glaub, ich weiß schon, worauf du aus bist.
    Kibby schaute noch einmal rasch auf seine Uhr, jetzt doch besorgt, er könnte sich verspäten. Das durfte auf keinen Fall passieren, er konnte doch nicht am ersten Tag auf der Arbeit gleich einen schlechten

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