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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stühlen, deren goldverzierte schwarze Lehnen sie mit einer dunklen Linie umrahmten, unter dem grellen Licht des Kronleuchters einem Altar, einem erleuchteten Katafalk, auf dessen blendend weißer Decke das Kristall und das Silber wie helle Flammen funkelten. Jenseits der geschnitzten Stuhllehnen war alles in Schatten getaucht, so daß man kaum das Wandgetäfel, ein großes, niedriges Büfett und ein paar schleppende Samtvorhänge wahrnahm.
    Unwillkürlich wandten sich aller Augen zum Tisch zurück, um sich an seinem Glanz zu weiden. Ein wunderbarer mattsilberner Tafelaufsatz mit schimmernder Ziselierung nahm die Mitte der Tafel ein: er stellte eine Schar Faune dar, die flüchtenden Nymphen nachjagten, und über dieser Gruppe entquoll einem großen Füllhorn ein riesiger Strauß frischer Blumen, die in ganzen Büscheln herabhingen. An den beiden Tischenden standen ebenfalls mit Blumen gefüllte Vasen; zwei Kandelaber im Stil der Mittelgruppe, jeder einen dahineilenden Faun darstellend, der in einem Arm eine ohnmächtige Frau davontrug und mit dem andern einen zehnarmigen Leuchter emporhielt, vereinten den Glanz ihrer Kerzen mit dem strahlenden Licht des Kronleuchters. Zwischen diesen Hauptstücken waren symmetrisch große und kleine Wärmpfannen mit dem ersten Gang aufgereiht, flankiert von Muscheln, die die Nebengerichte enthielten, und getrennt durch Porzellankörbchen, Kristallschalen, flache Teller und hohe Kompottschüsseln, gefüllt mit jenem Teil des Desserts, der schon auf der Tafel zur Schau stand. Längs der Tellerreihe eine wahre Armee von Gläsern, Wein und Wasserkaraffen, kleinen Salzfäßchen; alles Kristall war fein und leicht wie aus Musselin, ohne jeden Schliff und so durchsichtig, daß es keinen Schatten warf. Und der Mittelaufsatz und die beiden Kandelaber glichen Feuerspringbrunnen; Blitze liefen an den polierten Wärmepfannen entlang; die Gabeln, die Löffel, die Messer mit ihren Perlmuttergriffen glänzten wie Feuerstreifen; die Gläser schillerten in allen Regenbogenfarben, und inmitten dieses Funkenregens, dieses Feuermeers malten die Weinkaraffen rote Flecken auf das wie in Weißglut schimmernde Tischtuch.
    Beim Eintreten hatten die Herren, die ihren Tischdamen zulächelten, den Ausdruck geheimer Glückseligkeit in den Zügen. Die Blumen brachten Frische in die schwüle Luft. Leichte Speisedünste mischten sich in den Duft der Rosen. Doch der herbe Krebsgeruch, das säuerliche Aroma der Zitronen herrschten vor.
    Als dann alle Gäste ihre auf der Rückseite der Speisekarte vermerkten Namen gefunden hatten, gab es Stuhlrücken und ein großes Rauschen seidener Röcke. Die nackten, mit Diamanten besäten Frauenschultern, deren mattes Weiß durch die schwarzen Fräcke zu ihren Seiten noch besonders hervorgehoben wurde, fügten ihren milchigen Schimmer zum festlichen Glanz der Tafel. Das Mahl begann. Die Tischnachbarn lächelten einander zu, ihr halblautes Gespräch wurde nur unterbrochen vom gedämpften Klirren, der Löffel. Baptiste versah das Amt des Haushofmeisters mit dem gewichtigen Ernst eines Diplomaten; außer den beiden Dienern des Hauses unterstanden ihm noch vier weitere Gehilfen, die er nur für die großen Diners heranzog. Bei jedem Gang, den er in Empfang nahm, um ihn im Hintergrund an einem Anrichtetisch aufzuteilen, gingen drei Bediente, jeder mit einer Schüssel in der Hand, lautlos um die Tafel herum und boten mit leiser Stimme die Gerichte an, wobei sie deren Namen nannten. Die anderen schenkten den Wein ein, sorgten für Brot und füllten die Karaffen. So ging das Auf und Abtragen der Vorspeisen und des ersten Ganges gemessen vor sich, ohne daß das perlende Lachen der Damen lebhafter geworden wäre.
    Die Gäste waren zu zahlreich, als daß leicht eine allgemeine Unterhaltung hätte zustande kommen können. Beim zweiten Gang jedoch, als die Braten mit ihren Beilagen serviert wurden und die schweren Burgunderweine, Pomard und Chambertin, auf den Léoville20 und den ChâteauLafitte21 folgten, nahm das Stimmengewirr zu, und schallendes Gelächter ließ das zarte Kristall erklingen.
    Renée, an der einen Längsseite in der Mitte sitzend, hatte zu ihrer Rechten den Baron Gouraud, zu ihrer Linken Herrn ToutinLaroche, einen ehemaligen Kerzenfabrikanten, jetzt Stadtrat, Direktor des Crédit viticole22 und Aufsichtsratsmitglied bei der Allgemeinen Marokkanischen Hafengesellschaft, einen hageren, beachtlichen Mann, den Saccard, der jenem gerade gegenüber, zwischen Frau d’Espanet und

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