Die Beute - 2
Alle klatschten leicht in die Hände, und Herr de Saffré rief: »Ausgezeichnet, ausgezeichnet! Gleich morgen kommt dieser Ausspruch in die Blätter!«
»Sie haben wirklich recht, meine Herren, wir leben in einer guten Zeit«, sagte, gleichsam als Abschluß, der Maurermeister Mignon mitten in das Lächeln und die Bewunderung hinein, die die Worte des Barons hervorgerufen hatten, »ich kenne so manchen, der ein hübsches Vermögen dabei gemacht hat. Sehen Sie, alles ist schön und gut, wenn man dabei verdient.«
Diese letzten Worte ließen die ernsten Männer erstarren. Die Unterhaltung brach plötzlich ab, und jeder schien es zu vermeiden, seinen Nachbarn anzusehen. Die Äußerung des Maurers hatte die Herren so jählings getroffen wie der Steinwurf des Bären28. Michelin, der gerade mit liebenswürdiger Miene Saccard angeblickt hatte, hörte auf zu lächeln, voller Angst, es habe eine Sekunde lang den Anschein haben können, als beziehe er die Worte des Unternehmers auf den Hausherrn. Dieser warf Frau Sidonie einen Blick zu, die erneut Mignon in Beschlag nahm, indem sie ihn fragte: »Sie lieben also die rosa Farbe, Herr Mignon?« Jetzt machte Saccard Frau d’Espanet ein weitschweifiges Kompliment; sein schwärzliches, verschlagenes Gesicht berührte dabei fast die milchweiße Schulter der jungen Frau, die sich kichernd in ihren Stuhl zurücklehnte.
Man war beim Dessert angelangt. Lebhafter als zuvor eilten die Lakaien, um den Tisch. Während die Tafel noch mit weiteren Früchten und Näschereien versehen wurde, trat eine Pause ein. An jenem Ende, wo Maxime saß, wurde das Lachen immer fröhlicher; man hörte Louises spitzes Stimmchen sagen: »Ich versichere Ihnen, daß Sylvia in ihrer Rolle als Dindonnette ein blaues Seidenkleid trug«; und eine andere kindliche Stimme ergänzte: »Ja, aber es war mit weißen Spitzen garniert!« Es war heiß im Saal. Die nun rosiger gewordenen Gesichter hatten den weichen Ausdruck innigsten Wohlbehagens. Zwei Lakaien machten die Runde um die Tafel und gossen Alicante29 und Tokaier ein.
Schon seit Beginn des Diners schien Renée zerstreut zu sein. Sie erfüllte ihre hausfraulichen Pflichten mit einem mechanischen Lächeln. Bei jedem Heiterkeitsausbruch, der von dem Tischende herkam, wo Maxime und Louise Seite an Seite wie zwei gute Kameraden miteinander scherzten, schickte sie einen funkelnden Blick hinüber. Sie langweilte sich. Die ernsthaften Männer waren ihr unerträglich. Frau d’Espanet und Frau Haffner warfen ihr verzweifelte Blicke zu.
»Und wie lassen sich die bevorstehenden Wahlen an?« fragte Saccard völlig unvermittelt Herrn Hupel de la Noue.
»Nun, ausgezeichnet«, antwortete dieser mit einem Lächeln. »Nur habe ich noch keine Kandidatenliste für mein Departement. Das Ministerium scheint noch zu zögern.«
Herr de Mareuil, der Saccard mit einem raschen Blick dafür dankte, daß er dieses Thema angeschnitten hatte, schien auf glühenden Kohlen zu sitzen. Er errötete leicht und verbeugte sich mehrmals verlegen, als der Präfekt, jetzt ihm zugewandt, fortfuhr: »Ich habe auf dem Lande wiederholt von Ihnen gehört, Herr de Mareuil. Ihre großen Besitzungen bringen es mit sich, daß Sie dort zahlreiche Freunde haben, und man weiß, wie sehr Sie dem Kaiser ergeben sind. Sie haben also recht gute Aussichten.«
»Papa, nicht wahr, die kleine Sylvia hat 1849 in Marseille Zigaretten verkauft?« rief in diesem Augenblick Maxime vom Tafelende herüber.
Und da Aristide Saccard so tat, als habe er nicht gehört, sagte der junge Mann etwas leiser: »Mein Vater hat sie gut gekannt.«
Gekicher entstand. Unterdessen hatte, während sich Herr de Mareuil noch immer nach allen Seiten verbeugte, Herr Haffner in feierlichem Ton weitergesprochen: »In diesen Zeiten eigennütziger Demokratie ist Treue zum Kaiser die einzig wahrhafte Tugend, der einzige wirkliche Patriotismus. Wer den Kaiser liebt, liebt Frankreich. Es würde uns mit aufrichtiger Freude erfüllen, wenn Sie unser Kollege würden.«
»Herr de Mareuil wird den Sieg erringen«, sagte nun seinerseits Herr ToutinLaroche. »Die großen Vermögen müssen sich um den Thron scharen.«
Jetzt hielt Renée es nicht mehr aus. Auch die Marquise ihr gegenüber unterdrückte ein Gähnen. Und als Saccard gerade wieder das Wort ergreifen wollte, kam ihm seine Frau mit einem reizenden Lächeln zuvor: »Ich bitte Sie, mein Freund, haben Sie ein wenig Mitleid mit uns und lassen Sie die böse Politik beiseite.«
Worauf sich Herr
Weitere Kostenlose Bücher