Die bezaubernde Rivalin
konnte Jordan Farraday nachweisen, dass alles, was er anfasste, zu barer Münze wurde. Sie, India, konnte dagegen nur ihre lebenslange Erfahrung im Einzelhandel vorweisen und ihr Bestreben, „Claibourne’s“ zu einem über die Grenzen Londons und Großbritanniens hinaus bekannten Markennamen zu machen.
„He, wenn alles andere fehlschlägt, können Sie ihm immer noch schöne Augen machen!“, sagte da ihre Assistentin, und India vergaß einen Augenblick, dass ihr womöglich eine Niederlage bevorstand.
„Was soll denn das heißen?“
„Sobald er Ihnen gegenübersteht, klimpern Sie einfach mit den Wimpern. Und wenn er sich erst einmal in Sie verliebt hat, denkt er gar nicht mehr daran, Ihnen Ihr Spielzeug wegzunehmen.“
„Na, großartig! Ich versuche jeden davon zu überzeugen, dass ich das Zeug dazu habe, das Warenhaus zu leiten, und Sie wollen, dass ich diesen Mann verführe? Was ist denn in den letzten dreißig Jahren Frauenbewegung geschehen?“ Ärgerlich wandte sich India ab und riss sich dabei an einem zerdrückten Pappkarton einige Laufmaschen in die Seidenstrümpfe. Wunderbar, mit dem Tag, den sie schon mit einem unguten Gefühl begonnen hatte, ging es jetzt steil bergab. „Sally, was, zum Teufel, ist denn das?“
Sally hielt den Atem an, als sie Indias zerrissene Strümpfe bemerkte. Dann reichte sie ihr ein neues Paar aus der Schreibtischschublade und sagte: „Tut mir leid, die Bauarbeiter haben den Karton hier stehen lassen. Da sind Akten aus dem Büro Ihres Vaters drin. Ziemlich altes Zeug, aber ich dachte, Sie wollten es noch einmal durchsehen, bevor ich es einlagern lasse.“
„Aber ich habe doch alle Aktenschränke in Dads Büro ausgeräumt.“
„Die Akten befanden sich hinter dem großen begehbaren Schrank.“
India hatte inzwischen die oberste herausgenommen und blätterte darin. Die Unterlagen waren dreißig Jahre alt und stammten aus der Zeit, als ihr Vater das Geschäft von Jordan Farradays Großvater übernommen hatte. Plötzlich bekam India vor Aufregung eine Gänsehaut. „Sally, kaufen Sie sich ruhig den Designerrock, von dem Sie mir vorgeschwärmt haben. Den haben Sie sich verdient, ich übernehme die Kosten. Und bitte sorgen Sie dafür, dass der Karton in mein Auto gebracht wird.“
Auf keinen Fall wollte India, dass ihr Jordan Farraday über die Schulter sah, wenn sie die Unterlagen durchging. Nein, das entsprach nicht ganz der Wahrheit: Sie wollte Jordan Farraday überhaupt nicht hier haben.
2. KAPITEL
Bevor India die Tür zur Babywarenabteilung aufstieß, atmete sie noch einmal tief durch. Das schien sie in letzter Zeit ziemlich oft tun zu müssen. Glücklicherweise hatte sie das gemacht, denn es dauerte eine Ewigkeit, bis sie wieder atmen konnte, nachdem sie Jordan Farraday zu Gesicht bekommen hatte.
Journalisten ging er nicht gerade um den Bart, aber sie hatte alles an Informationen über den Mann zusammengetragen, dessen sie habhaft werden konnte. Die Abbildungen in den Tageszeitungen ließen darauf schließen, dass er durchschnittlich gut aussah. Aber an Jordan Farraday war nichts durchschnittlich. Außerdem hatte er etwas an sich, das über bloßes gutes Aussehen weit hinausging. Er war größer als vermutet und sein Haar dunkler – die silbrigen Strähnen hoben nur hervor, wie dunkel es war. Doch das alles betraf nur sein Äußeres. Das Kribbeln in ihrem Bauch und die leichte Gänsehaut im Nacken rührten aber daher, welchen Eindruck Jordan Farraday auf die Anwesenden machte, die ihn alle ansahen, als warteten sie nur auf sein Kommando. Mit anderen Worten: Er war der aufregendste Mann, den India seit Monaten … Jahren … wahrscheinlich überhaupt jemals gesehen hatte. Und diesen Mann hatte sie zu einem Kampf herausgefordert, bei dem der Sieger die alleinige Kontrolle über das Warenhaus bekam?
Dabei wirkte er im Augenblick kein bisschen bedrohlich. Er hatte sich vorgebeugt, hielt die Hand der zukünftigen Mutter, während diese von einem Sanitäter in einen Rollstuhl gehoben wurde. Dabei sprach Jordan Farraday leise auf die noch sehr junge Frau ein und versicherte ihr, dass schon alles gut gehen werde. „Sie werden sich bald viel besser fühlen, Serena. Ich habe Ihren Freund angerufen. Er ist bereits auf dem Weg zum Krankenhaus und wartet schon auf Sie, wenn Sie ankommen.“ Jordan Farraday sah zu den Sanitätern. „Fertig?“ Einer von ihnen nickte. Sich wieder an die junge Frau wendend, erkundigte sich Jordan: „Soll ich mit Ihnen im Krankenwagen
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