Die Bibel
Jakob sieht sich gezwungen, seine Söhne doch wieder nach Ägypten zu schicken. Nehmt von den berühmtesten Erzeugnissen des Landes
und bringt sie dem Mann als Geschenk
, sagt Jakob.
Nehmt auch den doppelten Betrag Geld mit euch und erstattet das zurückerhaltene Geld, das oben in euren Säcken war, eigenhändig wieder; vielleicht war es ein Versehen
. Und nehmt, in Gottes Namen, auch Benjamin mit.
So ziehen sie ein zweites Mal nach Ägypten.
Dort werden sie zunächst freundlich empfangen und sogar von Josef festlich bewirtet. Josef ist jetzt noch erregter und aufgewühlter, besonders als er Benjamin sieht. Trotzdem gibt er sich seinen Brüdern noch immer nicht zu erkennen, betreibt weiter höflich Konversation mit ihnen.
Am nächsten Tag wiederholt Josef sein altes Spiel. Er lässt die Säcke mit Korn und Speisen füllen und das Geld obendrauf legen. In Benjamins Sack lässt er zusätzlich zum Geld auch seinen silbernen Becher schmuggeln.
Die Brüder reisen ab, aber kaum haben sie das Stadttor passiert, jagt Josef eine Abordnung hinterher, die den Auftrag hat,die Brüder des Diebstahls zu bezichtigen und die Säcke zu kontrollieren. Die Brüder sind bestürzt, haben ein reines Gewissen und sagen ahnungslos, bitte, durchsucht uns, bei welchem ihr etwas findet, der soll sterben, und wir wollen die Knechte eures Herrn sein.
Der Reihe nach werden jetzt die Säcke geöffnet, zuerst die der ältesten Brüder, zuletzt Benjamins Sack. Mit dem silbernen Becher drin. Da zerreißen sie vor Verzweiflung ihre Kleider. Ausgerechnet Benjamin. Sie verstehen die Welt nicht mehr, denken an ihren alten Vater, der vor Kummer sterben wird.
Zurück im Haus des Pharaos, werden sie mit Josef konfrontiert, der Benjamin dabehalten und die anderen ziehen lassen will. Da tritt Juda nach vorne und erzählt in einer langen, ergreifenden Geschichte, dass sein Vater Jakob den Verlust Benjamins nicht verwinden und vor Gram sterben würde, nachdem er zuvor schon seinen Lieblingssohn Josef verloren hat. Daher bittet Juda, ihn als Sklaven dazubehalten und Benjamin ziehen zu lassen.
Nun endlich hält Josef das Versteckspiel nicht mehr länger aus, schickt alle anwesenden Ägypter hinaus, damit er mit seinen Brüdern alleine sei, und gibt sich ihnen zu erkennen:
Ich bin Joseph, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Und nun bekümmert euch nicht und macht euch keine Vorwürfe darüber, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Lebensrettung hat mich Gott vor euch her gesandt. Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und weinte, und Benjamin weinte auch an seinem Hals. Und er küsste alle seine Brüder und umarmte sie unter Tränen.
Die Nachricht, dass es sich bei den Fremden um Josefs Brüder handelt, spricht sich am Hof des Pharaos schnell herum, gelangt auch zu diesem, und er freut sich mit Josef und lädt dessen Brüder, Vater und die ganze Familie ein, nach Ägypten in die Provinz Gosen zu ziehen, um dort sesshaft zu werden. Weil Kanaan, die Heimat Jakobs, noch immer unter der Hungersnot leidet, zieht Jakob tatsächlich mit seiner ganzen Sippe nach Gosen, wird dortalt und stirbt, wünscht aber, im Land seiner Väter begraben zu werden. So geschieht es.
Gott verfolgt also unbeirrbar sein Ziel, egal, was die Menschen treiben. Selbst wenn sie Böses tun, wird Gott das Böse in Gutes verwandeln und die Untaten Einzelner in einen Segen für sein ganzes Volk umschmelzen, lautet die Botschaft der Josefsgeschichte.
Damit ist auch die Frage beantwortet, wie Gott mit dem Problem der Auserwähltheit Israels umgeht. Indem er für sein auserwähltes Volk sorgt, sorgt er gleichzeitig für das Wohl aller anderen Völker, denn so, wie der verhasste Josef seinen Brüdern und der ganzen Familie zum Segen geworden ist, so wird Israel zum Segen für die anderen Völker.
Israels Auserwähltheit soll den anderen zum Vorteil gereichen.
Und noch eine Botschaft steckt drin: Josef ist ein Gerechter. Aber er ist es nur – und darauf verweist er selber mehrmals –, weil er sich von Gott leiten lässt. Stets lenkt er die Aufmerksamkeit von sich weg auf Gott.
Sensationell aber ist die letzte und tiefste Botschaft: Josefs Brüder hegten Mordgedanken gegen ihn, und nur weil zufällig eine Karawane des Wegs kommt, setzen sie ihre Gedanken nicht in die Tat um, sondern beschränken sich darauf, ihren Bruder als Sklaven zu verkaufen, was auch noch schäbig genug ist. Diese Brüder samt Benjamin und Josef sind ja die Urväter der zwölf
Weitere Kostenlose Bücher