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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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anderen überlegen. Der ältere muss dem jüngeren dienen.
Aus Jakob wird Israel, aus Esau Israels Nachbarvolk der Edomiter.
    Und schon handelt es sich nicht mehr um den Beginn einer Posse, sondern um eine Reflexion über die Erwählung Israels durch Gott. Durch diese Heraushebung des einen Volkes kommt ja ein Riss in die Welt – die Ursache für neue Konflikte und Missverständnisse.
    Jemand fühlt sich auserwählt, hält sich für etwas Besseres, dünkt sich den anderen überlegen, erkennt die Götter der anderen nicht an, lässt nur seinen Gott gelten. Die heidnischen Völker sind tolerant, lassen die Götter der anderen gelten, übernehmen sogar fremde Götter und haben kein Problem damit.
    Mit Israels Glaube an nur einen Gott aber kommt die Unterscheidung zwischen wahren und falschen Göttern in die Welt, und diese Unterscheidung stößt den Rest der Welt vor den Kopf. Da kommt den Theologen die Geschichte Jakobs gerade recht. Indem sie Jakob, den Betrüger, zu ihrem dritten Stammvater erklären, nehmen sie jenen Kritikern den Wind aus den Segeln, die Israel wegen seines Auserwähltseins eine unerträgliche Hybris unterstellen.
    Einen Kleinkriminellen als Stammvater eines Volkes zu benennen,ist etwas ganz und gar Ungewöhnliches. Die Stammväter der anderen Völker sind Ritter ohne Fehl und Tadel, Sieger, Helden, Götter und Halbgötter. Israel bekennt sich zu einem Betrüger und sagt damit: Wir bilden uns nicht ein, etwas Besonderes und etwas Besseres zu sein. Im Gegenteil, uns mit unserer unrühmlichen Abstammung überrascht es ja selbst am allermeisten, dass Gott sich ausgerechnet uns ausgesucht hat. Uns sind keinerlei Verdienste bekannt, die so etwas rechtfertigen. Aber offenbar waren wir die Einzigen, die sich Gottes Willen unterwarfen, und nur darum sind wir zu seinem Volk geworden.
    Die Jakobsgeschichte ist also ein Friedensangebot Israels an die Nachbarvölker, zum Beispiel an die Edomiter. Ihnen sagt Israel: Dass wir unseren einzigen Gott anbeten, uns nicht an eure Vielgötterei anpassen wollen und die Unterschiede zwischen uns nicht verwischen können, soll kein Grund für Unfrieden zwischen uns sein, denn eigentlich sind wir Brüder. Unser Urahn hat eurem Urahn zwar Unrecht getan, aber beide haben sich auch wieder versöhnt – so geht die Geschichte nämlich weiter.
     
    Nach seinem seltsamen Erlebnis am Jabbok, wo Jakob den Namen Israel erhält, zieht er Esau entgegen und verneigt sich siebenmal vor ihm. Da läuft Esau auf ihn zu, umarmt ihn, fällt ihm um den Hals, küsst ihn, und beide weinen. Esau will Jakobs Geschenke gar nicht annehmen, Jakob nötigt ihn, sie doch zu nehmen.
    Die Brüder sind versöhnt, Esau hat Jakob verziehen, die Geschichte endet nicht wie bei Kain und Abel. Gottes Eingreifen am Jabbok hat es möglich gemacht. Gott ist es, der dort mit Jakob ringt. Als er seiner nicht Herr werden kann, schlägt er Jakob so auf die Hüfte, dass er fortan hinkt. Jakob bekennt nach diesem Kampf:
Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden
. Danach wird er bei der Begegnung mit Esau sagen:
Ich habe dein Angesicht gesehen, als sähe ich Gottes Angesicht, und du warst so freundlich gegen mich
.
    Der Ringkampf Jakobs mit Gott steht hier als Bild für Jakobs Ringen mit seinem Gewissen, dem allmählichen Wachsen der Einsicht in seine Schuld gegenüber Esau und dem Wunsch, sich mit ihm zu versöhnen. Hier, am Jabbok, fand Jakobs Umkehr statt, und erst in diesem Moment wird er tatsächlich zum dritten Stammvater Israels. Der Jakob nach der Umkehr ist ein anderer als der Betrüger, der er zuvor gewesen ist, und erhält deshalb auch einen neuen Namen.
    Jakob hat allerdings auch Glück. Esau hätte ja Jakobs Bitte um Versöhnung ablehnen können. Versöhnung lässt sich nicht erzwingen. Hier gerät der Mensch wieder an eine Grenze, die er nicht überwinden kann, an der er auf Gott angewiesen ist. Dass sich Esau versöhnungsbereit zeigte, muss daher Gottes Handeln zugeschrieben werden. Nur so konnte die Geschichte, die mit Abraham begann, fortgesetzt werden.
     
    Mit der Deutung der Jakobsgeschichte als Friedensangebot der Israeliten an die anderen Völker ist die Geschichte aber noch nicht erschöpft. Israels Anspruch, ohne eigenes Verdienst von Gott erwählt worden zu sein, ist keinesfalls als bloß kluge Taktik zu verstehen, die es dem kleinen, ständig bedrohten Volk ermöglicht, in friedlicher Nachbarschaft mit den Heiden zu leben. Dieser Anspruch richtet

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