Die Bibel
Kaserne bleiben, bedeutet den ersten Erfolg – eine ganz neue Erfahrung für Menschen, die bisher nur erlebt haben, dass schon die kleinste Unbotmäßigkeit drakonisch bestraft wird. Und nun, angesichts der größten denkbaren Provokation, zögert die Macht.
Dieses Zögern ist für das Volk der wichtigste Moment. In ihmwird es sich seiner eigenen Macht bewusst und lernt: Einigkeit macht stark. Stärke macht mutig. Der Mut der vielen reißt die Ängstlichen mit. Je länger der Gegenschlag ausbleibt, desto schneller baut sich die Gegenmacht auf.
Gewonnen ist damit aber noch nichts, sondern es spitzt sich nur alles zu, eine Reaktion des Tyrannen wird nicht ausbleiben. Und die wird fürchterlich sein. Oder will der Tyrann verhandeln? Wie wird die Kraftprobe enden?
In der Bibel hört sich alles sehr einfach an. Da hat das Volk Gott auf seiner Seite, und darum kann ihm eigentlich gar nichts mehr passieren. Aber das ist bereits gedeutete und verdichtete Geschichte, verkleidet in mythologische Sprache, geschrieben viele Jahrhunderte nach dem Ereignis. Wie es wirklich war, wie viel Mut und Solidarität des Volkes es bedurfte, wie viel Gottvertrauen Mose und Aaron brauchten, wie viel Überzeugungskraft nötig war, um das zaghafte, machtlose, seit Jahrhunderten unterdrückte Völkchen zum Widerstand gegen die waffenstarrende Supermacht zu bewegen, lässt sich aus den biblischen Texten nicht mehr rekonstruieren, sondern nur erahnen.
In der Bibel heißt es: Mose ging zum Pharao und verlangte, mit seinem Volk aus Ägypten ausziehen zu dürfen, was der Pharao natürlich ablehnte, was ihn aber auch erstaunte. Er dachte, er habe nun Ruhe. Er dachte, durch seine erste schroffe Ablehnung dem Volk eine Lektion erteilt und Zwietracht unters Volk gesät zu haben. Stattdessen hat dieser Mose die Stirn, ein zweites Mal zu kommen, mit einer noch unverschämteren Forderung.
Der Pharao sagt nein und denkt darüber nach, wie er in üblicher Weise die Daumenschrauben noch enger ziehen kann. Aber plötzlich gelingt dies nicht mehr. Plötzlich werden ihm selbst die Daumenschrauben angelegt, von Gott.
Gott hetzt jetzt dem Pharao zehn Plagen an den Hals, und diese Plagen stehen in der Bibel als Bild für die Machtprobe zwischenVolk und König. Mose reckt seinen Stab, und das Wasser im Nil und seinen Seitenarmen verwandelt sich in Blut, desgleichen in den Bewässerungskanälen und Sümpfen. Sogar das Wasser in den Zisternen wird zu Blut. Die Fische und alles Leben in den Gewässern sterben, der Nil kippt um und stinkt. Aber der Pharao zeigt sich unbeeindruckt, will dem Volk beweisen, das Problem könne er locker aussitzen.
Darum geht Mose abermals zum Pharao und sagt: Wenn du uns jetzt nicht ziehen lässt, dann wird unser Gott dich ein zweites Mal strafen, und zwar schlimmer als zuvor. Aber der Pharao pokert mit und sagt: Geh nur zu deinem Gott, er wird mir nichts anhaben können, und ihr bleibt hier, niemals lass ich euch ziehen, an die Arbeit mit euch!
Mose reckt seinen Stab zum zweiten Mal, und Abermillionen Frösche bedecken das Land, dringen in die Häuser und Betten, kriechen in die Zisternen und Backtröge und über die Menschen. Und diese Plage zeigt Wirkung. Der Pharao lässt Mose rufen und erklärt sich bereit, Israel ziehen zu lassen, wenn nur diese verdammten Frösche wieder verschwinden.
Gott lässt die Frösche sterben. Der Pharao ist zufrieden. Aber natürlich denkt er nicht daran, Israel ziehen zu lassen. Er wollte sich nur eine Atempause verschaffen und war von Anfang an entschlossen, Mose auszutricksen.
Also ist eine Mückenplage fällig. Der Pharao widersteht. Hundsfliegen fallen über Mensch und Tier her und stechen mörderisch. Der Pharao verhandelt. Aber wieder nur zum Schein, bricht seine Versprechungen, sobald die Plage vorbei ist.
Und so geht es weiter. Eine Viehpest tötet alle Nutztiere des Landes, aber der Pharao bleibt stur. Blattern befallen die Menschen, der Pharao gibt nicht nach. Hagel zerstört die Ernten, der Pharao verhandelt erneut zum Schein. Heuschrecken überfallen das Land, kommen in solchen Wolken, dass sich der Himmel verfinstert, und fressen, was nach dem Hagel übrig blieb. Der Pharaoverliert den Rückhalt bei seinen Knechten und Höflingen. Sie fordern ihn auf, diese Hebräer endlich ziehen zu lassen, damit wieder Ruhe herrscht im Land.
Ein letztes Mal macht der Pharao Mose ein Angebot zum Schein, und die neunte Plage bricht herein: drei Tage Finsternis, stockdunkle Nacht, Verhandlungen
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