Die Bibliothek der Schatten Roman
»Hab als Kind eine Überdosis bekommen.«
»Hmm«, brummte Muhammed enttäuscht und warf die Bücher in den Karton zurück. »Ich habe auch ein paar Krimis, die spielen, glaube ich, sogar im Gericht. Wär das nicht was?« Er sah Jon von der Seite an, doch der Anwalt blieb bei seiner Entscheidung.
»Und wie wär’s mit Tampax?«, fragte Muhammed eifrig. »Also für Ihre Frau, natürlich.« Er prustete los. »Ich habe bei irgendeiner Frauenzeitschrift einen Jahresbedarf an Tampax gewonnen. Der erste Preis war eine Reise nach Teneriffa.« Er zuckte mit den Schultern. »Man kann ja nicht immer den Hauptgewinn ziehen, das Beste ist aber, dass die heute Nachmittag bei der Lieferung ein Foto von der Gewinnerin schießen wollen, das dann in der nächsten Ausgabe der Zeitung abgedruckt
werden soll.« Er legte die Hände in den Nacken und ließ den Unterleib kreisen. »Jetzt werde ich auch noch Fotomodell.« Er lachte wieder.
»Ihr Jahresverbrauch dürfte ziemlich überschaubar sein«, grinste Jon. »Aber danke für das Angebot, ich habe zurzeit keine Frau.«
»Das verstehe ich nicht«, platzte Muhammed hervor und schüttelte den Kopf. »Sie sind doch ein richtiger Latin Lover. Da sollte das doch kein Problem sein.«
Jon zuckte mit den Schultern. Seine Haut war nicht so dunkel wie die von Muhammed, hatte aber dennoch den warmen Teint, der den meisten Dänen fehlte. Überdies hatte er rabenschwarze Haare. Er war nur Halbitaliener und deshalb etwas größer - 1 Meter 80 - und hellhäutiger. Vermutlich hatte er deshalb nie irgendeine Form von Rassismus am eigenen Leibe erfahren, auch nicht vom anderen Geschlecht.
Muhammed schnippte mit den Fingern und verschwand hinter den Computerbildschirmen, wo er mit der einen Hand zur Maus griff und mit der anderen ein paar Tasten tippte.
»Frauen kann ich Ihnen auch beschaffen, Chef. Hier ist so ein Wettbewerb von einem Kopenhagener Nachtclub, da können Sie eine Nacht gewinnen mit - wie hieß die noch mal …?«
»Stopp, stopp«, rief Jon. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
Muhammed zuckte mit den Schultern und ließ sich in den Sessel fallen.
»Sagen Sie einfach Bescheid. Ich habe einen Agenten auf Ihre Homepage eingeschleust.«
Muhammed war ausgebildeter Computerfachmann, hatte aber wie viele Einwanderer der zweiten Generation keinen Job in der Branche gefunden, die eigentlich nur so nach Arbeitskräften gierte. Obgleich er ein ausgezeichneter Programmierer war, hatte er einsehen müssen, dass der Name größere
Bedeutung als die Qualifikation hatte, weshalb es für ihn der beste Weg gewesen war, sich selbständig zu machen. So war er dann »Wettbewerbsritter« geworden, was ihm viele Freiheiten gab und noch dazu die Möglichkeit, seine Kenntnisse als Programmierer zu nutzen. Seine »Agenten« waren spezielle Computerprogramme, mit denen er alle Wettbewerbsformulare ausfüllte, die er im Netz fand. Eine Prozedur, die dann anschließend mit sämtlichen Namen und Adressen aus Muhammeds Adressbuch gefüttert wurde, was seine Gewinnchancen beträchtlich erhöhte. Seine Adresskartei umfasste Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn und einige andere, die er hatte überreden können, darunter auch Jon. Auf diese Weise war Jon eines Tages von einer begeisterten Sekretärin einer großen Spielwarenkette angerufen worden, die ihm mitteilte, er habe einen Kinderwagen mit Offroadbereifung und abnehmbarem Verdeck gewonnen.
Als Kompensation bot Mohammed ihm manchmal Waren an, die er nicht verkaufen konnte, und gab ihm auf alle anderen beträchtlichen Rabatt.
Muhammed befreite sich aus der Umarmung seines Sessels und deutete mit einem Nicken Richtung Tür.
»Na, bringen wir es hinter uns.«
Gemeinsam verließen sie Muhammeds Wohnung und liefen durch den Regen zu Jons Auto.
»Was ist denn mit Ihrem Peugeot passiert?«, fragte Jon, als sie losfuhren.
»Ich bin ihn endlich losgeworden. Musste aber leider auf 100 Kilo runtergehen, dabei wär er locker 200 wert gewesen.« Muhammed zuckte mit den Schultern. »Na ja, wer kauft einem Kanaken schon so einen Schlitten ab?«
»Aber der Stundenlohn ist so weit okay?«
»Ja, alles cool. Dafür musste ich zwei Paletten Cornflakes wegschmeißen, die lagen schon zu lange. Aber irgendwie hängt das ja alles zusammen.«
»Und was essen Sie jetzt?«, fragte Jon grinsend.
»Ach, ich habe genug. Vor zwei Wochen habe ich 50 Fertiggerichte von Tulip gewonnen, jetzt brauche ich abends kein Frühstück mehr.«
Wie erwartet war der
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