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Die Bibliothek der Schatten Roman

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Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Silben wurde mit zunehmendem Tempo immer beliebiger. Auch wenn die Worte noch als solche zu erkennen waren, ergaben die Aussprache und die Zusammensetzung der Silben keinen Sinn mehr. Den Sätzen, die Lucas Stimmbänder verließen, fehlte jetzt jede inhaltliche Bedeutung. Das Tempo war sehr hoch, und der Strom der Worte wurde nur noch unterbrochen vom panischen Atemholen. Nach jedem dieser pfeifenden Atemzüge strömten sogleich wieder die Worte und Sätze über Lucas Lippen, als wäre in seinem Innern ein Damm gebrochen.
    Sein Körper zitterte jetzt so stark, dass das Geländer, an das Luca sich presste, vibrierte und das Holz laut knackte. Der Schweiß brach ihm aus jeder Pore und hinterließ dunkle Flecken auf seinen Kleidern.
    Plötzlich brach der Wortschwall ab, und das Zittern erstarb. Lucas Augen starrten auf das Buch in seinen Händen, doch aus seinem Gesicht war der Ausdruck der Panik verschwunden. Sanftheit erfüllte den Blick des Italieners, und sein Gesicht strahlte unendliche Ruhe aus. Langsam beugte der Alte sich über das Geländer, wobei ihm das Buch aus den Händen rutschte und mit flatternden Seiten zu Boden fiel. Das Geländer knackte bedrohlich unter dem Gewicht des Körpers, und mit einem Mal brach ein ganzer Abschnitt heraus. Holzsplitter regneten durchs Antiquariat. Für einen kurzen Moment verharrte Lucas Körper regungslos am Rand der Galerie, ehe er
leblos nach vorn kippte. Die erschlafften Gliedmaßen schwangen unkontrolliert zur Seite und rissen Regale und Bücher mit sich, dass der Staub nur so aufwirbelte.
    Lucas Körper schlug hart in einem schmalen Gang zwischen zwei Regalen auf und wurde sogleich unter Büchern, Holz und Staub begraben.

ZWEI
    D ie Nächte vor einem Gerichtstermin waren für Jon Campelli die reinste Qual. Wenn es ihm überhaupt gelang, ein Auge zuzumachen, schlief er unruhig. So auch in dieser Nacht, so dass er es schließlich aufgab, aufstand und sich seinen dunkelblauen Morgenrock anzog. Er schlurfte in die Wohnküche, kochte sich eine Kanne Kaffee und trank ein paar Schlucke, während er noch einmal sein fertiges Plädoyer durchging. Obgleich er das Dokument schon am vergangenen Abend mehrmals überarbeitet hatte, las er alles noch einmal aufmerksam durch und sprach sich einige Sätze laut in verschiedenen Versionen vor. So kam es, dass man gegen vier Uhr morgens eine klare Stimme aus der Penthousewohnung in der Kompagnistræde klingen hörte, als würde ein übender Schauspieler immer wieder die gleichen Abschnitte wiederholen.
    Nach ein paar Stunden holte Jon die Zeitung, die vor der Wohnungstür lag, und blätterte sie beim Frühstück und einer frischen Kanne Kaffee durch. Sein Manuskript lag dabei beständig in Reichweite, und es geschah mehrmals, dass er die Zeitung beiseitelegte und stattdessen zu seinem Plädoyer griff, um eine bestimmte Passage noch einmal zu lesen, ehe er sich wieder den Neuigkeiten des Tages und seinem Brot zuwandte.
    Keiner seiner Kollegen ahnte, wie viel Arbeit er in sein Schlussplädoyer investierte, aber dafür war er trotz seines jungen Alters als jemand bekannt, der sein Metier bis zur Perfektion beherrschte. Dem 33-jährigen Strafverteidiger eilte bereits der Ruf voraus, Anlaufstelle für seine Kollegen zu sein und eine echte Herausforderung für seine Gegner, während
er bei den älteren Richtern unbegründetes Misstrauen weckte.
    Seine Gerichtsverhandlungen waren deshalb häufig gut besucht, und auch dieses Mal würden mit einiger Sicherheit viele Zuschauer auftauchen. Dabei stand das Ergebnis der Verhandlung eigentlich längst fest. Jons Mandant, ein Einwanderer der zweiten Generation mit Namen Muhammed Azlan, war wegen Hehlerei angeklagt worden, wobei die Anklage, wie bereits die vorhergegangenen drei, jede Grundlage entbehrte. Das Ganze mutete wie eine Polizeischikane an. Muhammed selbst blieb überraschend ruhig und begnügte sich damit, mittels Gerichtsverhandlung und späteren Schadensersatzklagen zurückzuschlagen.
    Jon trank seinen Kaffee aus, ging ins Badezimmer und drehte das Wasser in der Dusche an. Er ließ den Morgenmantel auf den Boden fallen und betrachtete seinen Körper im Spiegel, während er darauf wartete, dass das Wasser warm wurde. Mit Daumen und Zeigefinger packte er die Fettpölsterchen über den Hüften und betrachtete sie ungläubig, als hätte sich der Speck über Nacht gebildet. Vor fünf Jahren noch hatte er einen richtigen Waschbrettbauch gehabt, doch beinahe unmerklich war die Struktur seiner

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