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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

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Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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zu verbergen. »Träumte letzte Nacht den schönsten Traum meines Lebens«, notierte er im August 1665, als London von der Pest heimgesucht wurde. »Ich träumte, ich hätte Lady Castlemaine in meinen Armen und dürfte alles mit ihr tun, was ich wollte. Was für ein Glück würde es sein, wenn wir in unseren Gräbern nur solche Träume hätten – dann brauchten wir den Tod nicht zu fürchten.«
       Dass Pepys weit weniger an Geheimhaltung interessiert war als Miss Potter, ist so verblüffend wie die Offenheit seiner Bekenntnisse. Er vermachte der Universitätsbibliothek von Cambridge seine Aufzeichnungen in sechs in braunes Kalbsleder gebundenen Folianten, die den großen Brand von London 1666, die holländische Invasion von 1667 und einen Hausbrand im Jahr 1673 unversehrt überstanden hatten.
       Meine Beispiele sind – mit Ausnahme der PhaistosScheibe – eigentlich eine unglückliche Wahl, da es sich schließlich um Texte handelt, deren Inhalt ent schlüsselt und für die Nachwelt erhalten wurde. Offiziell wurden die Tagebücher von Pepys und Potter längst aus dem Katalog der verlorenen Bücher gelöscht – während andere private Aufzeichnungen immer noch auf ihre Entdeckung warten.
       In einigen Fällen besteht das Vermächtnis nicht aus Text und Inhalt, sondern aus dem Rätsel selbst. Nicht entschlüsselt und noch immer vollkommen rätselhaft ist das sogenannte Voynich-Manuskript – 117 beidseitig in unbekannter Schrift und Sprache beschriebene Pergamentbögen mit zahlreichen Wasserfarbenzeichnungen, die Pflanzen, Sterne, Tierkreiszeichen und nackte, in grüner Flüssigkeit badende Frauen zeigen. Entdecker dieses Kuriosums war Wilfried Voynich, ein Antiquar und Gelegenheitsfälscher. Er stellte das Manuskript 1912 der Öffentlichkeit vor und behauptete, es in einem südeuropäischen Schloss entdeckt zu haben. Seine Witwe verriet später, dass es aus der Villa Mondragone bei Frascati stammte. In einem beigefügten, später verschollenen Brief aus dem Jahr 1665 wurde angeblich Roger Bacon als Autor genannt. Rudolf II. von Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, soll es für 600 Dukaten gekauft und an einen Prager Alchimisten weitergegeben haben, damit dieser es entschlüsselte. Über zahlreiche Irrwege gelangte es schließlich nach Yale, wo es in die »Rare Book and Manuscript Library« aufgenommen wurde.
       Der wirkliche Ursprung und tatsächliche Inhalt der geheimnisvollen Blätter ist bis heute ein Geheimnis. Zahllose Wissenschaftler und Hobbyforscher haben sich mit dieser Frage beschäftigt und sind zu ebenso zahllosen wie widersprüchlichen Ergebnissen gekommen. Handelt es sich um eine kryptische Beschreibung des Paradieses oder um ein Rezept gegen Kopfschmerzen? Ist das Voynich-Manuskript das Produkt eines Wahnsinnigen, stammt es aus den geheimen Bibliotheken der Okkultisten um Dr. John Dee, oder ist es einfach die geschickte Fälschung eines geldgierigen Antiquars? Niemand kann diese Fragen beantworten, niemand kann dieses merkwürdige Werk lesen. Bis auf weiteres gilt das Voynich-Manuskript als verlorenes Buch, und eine Kopie davon wird mit einigen anderen, in derselben Sprache verfassten Werken im Saal der unlesbaren Schriften verwahrt – wenn auch diejenigen, die glauben, sein Rätsel gelöst und den Code geknackt zu haben, gegen diesen Beschluss protestieren.

    Das Geheimnis der Löschbücher

    B ibliotheken sind keine Ansammlungen toter Materie – sie leben, atmen und bewegen sich durch die Zeit. Wir Bibliothekare haben die Aufgabe, unsere Sammlung zu pflegen und zu bändigen wie ein wildes Tier, das immer größer und hungriger wird. Wenn es in seiner Gier zu viel frisst, geht es ebenso zugrunde, wie wenn es gar nicht gefüttert wird. Die Bibliothek der verlorenen Bücher ist groß, sogar riesig, aber die Zahl ihrer Säle und Regale ist nicht unbegrenzt. Ständig treffen neue Werke ein, die ich eigentlich einsortieren und im Katalog eintragen sollte, aber meist nur über eine alte Kohlenrutsche in unser Kellergewölbe befördere. Wenn wir jedoch unverhofft so wichtige Manuskripte erhalten wie Goethes verlorene Dissertation über die Zehn Gebote, E. T. A. Hoffmanns Debütroman »Cornaro«, Margaret Fullers Abhandlung über die Revolution in Italien oder das Drama »Bar Kochba« des Johann Schnitzler, der beinahe ein ungarischer Shakespeare geworden wäre, muss notfalls Platz geschaffen werden, indem man anderes ausmustert. Wie mir eine freundliche Besucherin erzählte,

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