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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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antwortete Maja, »ich möchte nur sehen, wie Ihre großen weißen Flügel sich in der blauen Luft bewegen, aber ich kann es ja auch später noch sehen. Wo wohnen Sie?«
    »Ich habe keine bestimmte Wohnung,« sagte Fritz, »man hat zu viel Umstände damit. Seit ich ein Schmetterling bin, ist das Leben erst wirklich schön. Früher, als ich eine Raupe war, kam man den ganzen Tag nicht von den Kohlblättern herunter, fraß und zankte sich.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Maja erstaunt.
    »Früher war ich eine Raupe«, sagte Fritz.
    »Ausgeschlossen«, rief Maja.
    »Na, hören Sie mal,« meinte Fritz und richtete seine beiden Fühler grade auf Maja, »das weiß doch jeder, das weiß sogar der Mensch.«
    Die kleine Maja wurde ganz befangen. Ob so etwas in der Welt möglich war?
    »Da müssen Sie sich erst deutlicher erklären,« sagte sie zweifelnd, »so ohne weiteres werde ich das nicht glauben. Das können Sie nicht verlangen.«
    Der Schmetterling setzte sich neben die Biene auf den kleinen schwankenden Zweig des Busches, und sie schaukelten nebeneinander im Morgenwind. Er erzählte ihr, wie er eines Tages als Raupe begonnen habe sich einzuspinnen, bis nichts mehr kenntlich war als eine unscheinbare braune Hülle, die Puppe genannt würde. »Und nach wenig Wochen«, fuhr er fort, »erwachte ich aus meinem dunklen Schlaf und zerbrach meine Hülle. Ich kann Ihnen niemals schildern, Maja, wie einem nach so einer Zeit zumute ist, wenn man plötzlich die Sonne wieder sieht. Mir war zumute, als verginge ich in einem warmen goldenen Meer, und ich habe mein Leben so geliebt, daß ich Herzklopfen bekam.«
    »Das kann ich verstehn,« sagte Maja, »es ist mir ebenso gegangen, als ich zum erstenmal aus unserer düsteren Stadt in den hellen Blütenduft hinausflog.« Und die kleine Biene wurde einen Augenblick ganz still, weil sie an ihren ersten Ausflug denken mußte. Aber dann wollte sie wissen, wie die großen Flügel des Schmetterlings in der kleinen Hülle hätten wachsen können.
    Fritz erklärte es ihr.
    »Sie sind leicht und fein zusammengelegt, wie die Blütenblätter einer Blume in einer Knospe. Wenn es hell und warm wird, muß die Blume sich öffnen, sie kann nicht anders, und ihre Blätter entfalten sich. So ist es auch mir mit meinen Flügeln gegangen. Niemand kann widerstehn, wenn die Sonne scheint.«
    »Doch,« sagte Maja, »das ist wahr.« Nachdenklich betrachtete sie den weißen Schmetterling, wie er im goldenen Morgenlicht saß, gegen den blauen Himmel.
    »Man sagt uns oft nach, wir seien leichtsinnig,« sagte Fritz, »aber im Grunde sind wir nur glücklich. Sie glauben nicht, wie ernst ich oft über das Leben nachdenke.«
    »Was haben Sie alles ausgedacht?« fragte Maja.
    »Über die Zukunft denke ich nach,« sagte der Schmetterling, »sie ist sehr interessant. Aber nun will ich fliegen, die Wiesen am Berghang stehn voll Glockenblumen und Schafgarbe, alles blüht dort; ich möchte dabei sein, wissen Sie.«
    Maja verstand das gut, und sie verabschiedeten sich und flogen nach verschiedenen Seiten davon, der weiße Schmetterling lautlos und schaukelnd, als trüge ihn der sanfte Wind, und die kleine Maja mit ihrem sorgenvollen Summen, das wir an schönen Tagen über den Blumen hören und nie vergessen können, wenn wir an den Sommer denken.

Neuntes Kapitel
Hannibals Kampf mit dem Menschen

    In der Nähe der Baumhöhle, in der die kleine Maja ihre Sommerwohnung aufgeschlagen, hatte sich in der Rinde der Kiefer der Borkkäfer Fridolin mit seiner Familie angesiedelt. Er war ein arbeitsamer und ernster Mann, der viel Sorgfalt auf die Fortpflanzung seiner Familie legte und es auf diesem Gebiet zu hübschen Erfolgen gebracht hatte. Er sah mit Stolz auf etwa fünfzig regsame Söhne zurück, die alle zu den besten Hoffnungen berechtigten. Sie gruben sich unter der Baumrinde jeder seinen kleinen gewundenen Kanal und fühlten sich darin wohl.
    »Meine Frau hat es so eingerichtet, daß keiner dem anderen in die Quere kommt«, sagte Fridolin zu Maja. »Meine Söhne kennen sich noch nicht, ihre Lebenswege gehn alle nach verschiedenen Richtungen.«
    Maja kannte Fridolin schon lange. Sie wußte wohl, daß die Menschen ihn und sein Geschlecht nicht eben liebten, aber sie selbst fand sein Wesen und seine Gesinnungsart sehr liebenswürdig und hatte bisher nicht Grund gehabt, ihn zu meiden. Morgens, wenn der Wald noch schlief und die Sonne noch nicht aufgegangen war, hörte sie oft sein feines Pochen und Bohren, ganz leise klang es

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