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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Bewandtnis hätte. Was es doch alles für Tiere in der Welt gibt, dachte sie, immer wieder entdeckt man irgendein neues.
    Der Wind hatte etwas nachgelassen, und die Sonne schien durch die Baumzweige. Irgendwo unten im Buschwerk stimmte ein Rotkehlchen sein Lied an und erfüllte den Wald mit Glück. Maja konnte es auf einem Zweig sitzen sehen, sie sah, wie die Kehle sich beim Singen bewegte, und der Vogel hatte sein Köpfchen emporgerichtet gegen das Licht.
    »Wenn ich doch singen könnte,« sagte die kleine Maja, »so wie dort das Rotkehlchen, ich setzte mich auf eine Blume und täte es den ganzen Tag.«
    »Dabei würde etwas Nettes herauskommen,« meinte Hannibal, »Sie mit Ihrem Gesumm.«
    »Der Vogel sieht so glücklich aus«, sagte die Biene.
    »Sie sind eine phantastische Person«, meinte der Weberknecht. »Wenn alle Tiere sich etwas anderes wünschten, als sie können, so würde bald die Welt auf dem Kopf stehen. Denken Sie sich, ein Rotkehlchen glaubte, es müßte partout einen Stachel haben, oder eine Ziege wollte herumfliegen und Honig sammeln. Dann käme am Ende noch der Frosch und wünschte sich solche Beine, wie ich sie habe.«
    Maja lachte.
    »Nein, das meine ich nicht,« sagte sie, »aber ich denke es mir wunderschön, alle Wesen so glücklich machen zu können, wie dieser Vogel es durch seinen Gesang kann. Aber was ist denn das,« rief sie plötzlich in großer Verwunderung, »Herr, Sie haben ja ein Bein zuviel. Sie haben sieben Beine.«
    Hannibal runzelte die Stirn und schaute unwillig vor sich hin.
    »Jetzt haben Sie es also glücklich doch gemerkt«, sagte er verstimmt. »Allerdings habe ich kein Bein zuviel, sondern eins zuwenig.«
    »Ja, haben Sie denn sonst acht Beine?« fragte Maja erstaunt.
    »Wenn Sie erlauben,« meinte Hannibal, »wir Spinnen haben acht Beine. Wir brauchen sie, und auch sonst -- es ist vornehmer. Mir ist eins abhanden gekommen, schade um das Bein, aber schließlich hilft man sich, so gut man kann.«
    »Es muß sehr unangenehm sein, ein Bein zu verlieren«, sagte Maja teilnehmend.
    Hannibal stützte das Kinn in die Hand und stellte seine Beine so, daß es schwer war, sie zu überzählen.
    »Ich werde Ihnen mitteilen,« sagte er, »wie es gekommen ist. Natürlich ist der Mensch dabei im Spiel, wie gewöhnlich, wenn etwas passiert. Unsereiner sieht sich vor, aber der Mensch ist unvorsichtig und greift mitunter zu, als ob man ein Stück Holz wäre. Soll ich Ihnen erzählen, wie sich dieser beklagenswerte Vorfall zugetragen hat?«
    »Ach bitte,« sagte Maja und setzte sich zurecht, »das wäre mir sehr interessant. Sie haben sicher ungemein viel erfahren.«
    »Das ist richtig,« sagte Hannibal, »jetzt passen Sie auf. Unser Geschlecht gehört zu den Nachtvölkern, darüber werden Sie unterrichtet sein. Ich lebte damals in einem grünen Gartenhaus, das außen mit Efeu bewachsen war und in dem sich manche zerbrochene Fensterscheibe befand, so daß ich bequem ein und aus konnte. Wenn es dunkel wurde, kam der Mensch durch den Garten, trug seine künstliche Sonne, die er Lampe nennt, in der einen Hand, in der anderen eine Flasche und unter dem Arm Papier, außerdem hatte er noch eine kleine Flasche in der Tasche. Er stellte alles auf den Tisch und fing an nachzudenken, weil er seine Ansichten auf das Papier schreiben wollte. Sie werden sicher schon Papier gefunden haben, im Wald oder im Garten. Das Schwarze darauf hat der Mensch sich ausgedacht.«
    »Fabelhaft«, sagte Maja ganz glücklich, daß sie so viel erfahren sollte.
    »Zu diesem Zweck«, erklärte Hannibal weiter, »braucht der Mensch seine beiden Flaschen. In die kleine steckt er einen Holzstab, aus der großen trinkt er. Je mehr er trinkt, um so besser geht es voran. Er schreibt natürlich über uns, alles was er weiß, und ist sehr eifrig, aber viel kommt nicht dabei heraus, denn der Mensch hat bisher über uns Insekten nur recht wenig in Erfahrung gebracht. Über unser Seelenleben weiß er fast nichts, und auf unser Herz und seine Ängste nimmt er nicht die kleinste Rücksicht. Sie werden hören.«
    »Denken Sie nicht gut vom Menschen?« fragte Maja.
    »Doch, doch,« antwortete der Weberknecht und schaute schräg vor sich nieder, »aber mit sieben Beinen wird man bitter.«
    »Ach so«, sagte Maja.
    »Eines Abends«, fuhr Hannibal fort, »war ich wie gewöhnlich in den Fensterwinkeln auf der Jagd, und der Mensch saß vor seinen beiden Flaschen und versuchte etwas zustande zu bringen. Ich ärgerte mich schon darüber, daß

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