Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
Vom Netzwerk:
eine große Anzahl der kleinen Fliegen und Mücken, von deren Fang ich zu meinem Lebensunterhalt abhängig bin, sich auf die künstliche Sonne des Menschen gesetzt hatte und hineinglotzte, ungebildet, wie solche Tiere nun einmal sind.«

    »Na,« meinte Maja, »ansehen würde ich mir so was schließlich auch mal.«
    »Ansehen, meinetwegen. Aber ansehen ist etwas ganz anderes wie glotzen. Schauen Sie sich doch einmal die Torheiten an, die dies Gesindel bei einer Lampe treibt. Daß sie zwanzigmal mit dem Kopf dagegenrennen, ist noch eine Kleinigkeit, manche tun es so lange, bis sie sich ihre Flügel verbrannt haben. Dabei glotzen sie ununterbrochen das Licht an.«
    »Die armen Tiere,« meinte Maja, »offenbar können sie sich nicht mehr zurechtfinden.«
    »Dann bleiben sie besser in den Fensternischen oder unter den Blättern sitzen,« sagte Hannibal, »dort sind sie vor der Lampe sicher und dort kann ich sie fangen. In jener verhängnisvollen Nacht nun sah ich von der Fensternische aus vereinzelte Mücken neben der Lampe in den letzten Zügen liegen. Ich beobachtete, daß dem Menschen scheinbar nichts daran gelegen war, und beschloß, sie mir zu holen. Ist etwas in der Welt begreiflicher?«
    »Nein«, sagte Maja.
    »Und doch, es wurde mein Unglück. Leise und vorsichtig kroch ich am Tischbein empor, bis ich über den Rand schauen konnte. Der Mensch erschien mir fürchterlich groß, und ich betrachtete, was er tat. Langsam setzte ich ein Bein vor das andere und näherte mich der Lampe. Solange ich Deckung hinter der Flasche hatte, ging alles gut, aber kaum trat ich hinter dem Glas hervor, als der Mensch auch schon aufblickte und nach mir griff. Er nahm eins meiner Beine zwischen seine Finger, hob mich daran empor bis dicht vor seine großen Augen und sagte: 'Ei, sieh da!' Und dabei grinste dieser Grobian über das ganze Gesicht, als ob es sich um ein Vergnügen handelte.«
    Hannibal seufzte und die kleine Maja war ganz still. Endlich fragte sie mit heißem Kopf.
    »Hat der Mensch so große Augen?«
    »Denken Sie jetzt gefälligst an mich und an meine Lage«, rief Hannibal erregt. »Versuchen Sie, sich meinen Gemütszustand vorzustellen. Wer hängt gerne an einem Bein vor Augen, die etwa zwanzigmal so groß sind, wie sein eigener Körper? Jeder der Zähne, welcher aus dem Mund des Menschen weiß hervorblitzte, war doppelt so groß wie ich. Nun, was denken Sie?«
    »Schrecklich,« sagte Maja, »also entsetzlich!«
    »Da riß gottlob mein Bein. Es ist nicht abzusehen, was alles geschehen wäre, wenn es gehalten hätte. Ich fiel und lief, so rasch mich meine übrigen Beine trugen, und versteckte mich hinter der Flasche, in deren Schutz ich die furchtbarsten Drohungen gegen den Menschen ausstieß. Deshalb verfolgte er mich weiter nicht. Ich sah, wie er mein Bein auf das weiße Papier legte und zusah, wie es fortlaufen wollte, was es aber ohne mich nicht kann.«
    »Bewegte es sich noch?« fragte Maja erschrocken.
    »Ja,« erklärte ihr Hannibal, »das tun unsere Beine immer, nachdem sie ausgerissen worden sind. Mein Bein lief, aber weil ich nicht dabei war, wußte es nicht wohin. So zappelte es nur planlos auf demselben Fleck herum, und der Mensch sah zu, faßte seine Nase an und lächelte dabei, herzlos wie er ist, über das Pflichtbewußtsein meines Beins.«
    »Das ist unmöglich,« sagte die kleine Biene ganz eingeschüchtert, »ein abbes Bein kann nicht krabbeln.«
    »Was ist ein abbes Bein?« fragte Hannibal.
    Maja sah ihn an. »Das ist ein Bein, das ab ist,« erklärte sie, »bei uns zu Haus sagte man so.«
    »Ihre Ausdrücke aus der Kinderstube gewöhnen Sie sich im großen Leben und vor gebildeten Leuten besser ab«, forderte Hannibal mit Strenge. »Man sagt ein ausgerissenes Bein. Jedenfalls ist es wahr, daß unsere Beine noch lange zappeln, nachdem sie ausgerissen sind.«
    »Nein,« sagte Maja, »das glaub' ich nicht ohne Beweis.«
    »Meinen Sie, ich risse mir Ihretwegen ein Bein aus?« fragte Hannibal böse. »Ich merke schon, daß man mit Ihnen nicht verkehren kann. So etwas hat mir noch niemand zugemutet, hören Sie.«
    Maja wurde ganz befangen, sie begriff nicht, weshalb der Weberknecht so verdrießlich wurde und wo ihre Schuld lag. Es ist gar nicht so leicht, mit fremden Leuten zu verkehren, dachte sie, sie denken anders und begreifen oft nicht, daß man es nicht böse meint. Sie wurde traurig und sah bekümmert auf die große Spinne mit ihren langen Beinen und ihrem grämlichen Gesichtsausdruck.
    »Eigentlich

Weitere Kostenlose Bücher